Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 275)

den Fluvium Sabbaticum in Syria betrifft, pflegen wir in unserer Wohnung, wenn wir den siebenden Tag feiern, uns in dessen Ursprung und Kanal, als das lustigste Ort unsers ganzen Aequatori, sich zu lägern und zu ruhen, deswegen dann ermeldter Fluß nicht laufen mag, solang wir daselbst dem Schöpfer zu Ehren feierlich verharren.«

Nach solchem Gespräch fragte ich den Prinzen, ob auch müglich sein könnte, daß er mich wieder durch einen andern als den Mummelsee, auch an ein ander Ort der Erden auf die Welt bringen könnte? »Freilich«, antwortet er, »warum das nicht, wenn es nur Gottes Will ist; denn auf solche Weis haben unsere Voreltern vor alten Zeiten etliche Kananäer, die dem Schwerd Josuae entronnen und sich aus Desperation in einen solchen See gesprengt, in Americam geführt, maßen deren Nachkömmlinge noch auf den heutigen Tag den See zu weisen wissen, aus welchem ihre Ureltern anfänglich entsprungen.« Als ich nun sahe, daß er sich über meine Verwunderung verwunderte, gleichsam als ob seine Erzählung nicht verwunderns würdig wäre, sagte ich zu ihm: Ob sie sich denn nit auch verwunderten, da sie etwas Seltenes und Ungewöhnliches von uns Menschen sähen? Hierauf antwortet er: »Wir verwundern uns an euch nichts mehrers, als daß ihr euch, da ihr doch zum ewigen seligen Leben und den unendlichen himmlischen Freuden erschaffen, durch die zeitliche und irdische Wollüste, die doch so wenig ohne Unlust und Schmerzen, als die Rosen ohne Dörner sind, dergestalt betören laßt, daß ihr dadurch euer Gerechtigkeit am Himmel verlieret, euch der fröhlichen Anschauung des allerheiligsten Angesichts Gottes beraubt, und zu den vestoßenen Engeln in die ewige Verdammnus stürzet! Ach möchte unser Geschlecht an eurer Stell sein, wie würde sich jeder befleißen, in dem Augenblick eurer nichtigen und flüchtigen Zeitlichkeit die Prob besser zu halten, als ihr, denn das Leben so ihr habt, ist nit euer Leben, sondern euer Leben oder der Tod wird euch erst gegeben, wenn ihr die Zeitlichkeit verlaßt; das aber, was ihr das Leben nennet, ist gleichsam nur ein Moment und Augenblick, so euch verliehen ist, Gott darin zu erkennen, und ihme euch zu nähern, damit er euch zu sich nemmen möge; dannenhero halten wir die Welt vor einen Probierstein Gottes, auf welcher der Allmächtige die Menschen, gleichwie sonst ein reicher Mann das Gold und Silber probiert, und nachdem der ihren Valor am Strich befindet, oder nachdem sie sich durch Feuer läutern lassen, die gute und feine Gold- und Silbersorden in seinen himmlischen Schatz leget, die böse und falsche aber ins ewige Feuer wirft, welches euch dann euer Heiland und unser Schöpfer mit dem Exempel vom Weizen und Unkraut genugsam vorgesagt und offenbaret hat.«

Das 15. Kapitel

Was der König mit Simplicio, und Simplicius mit dem König geredet.

Dies war das End unsers Gesprächs, weil wir uns dem Sitz des Königs näherten, vor welchen ich ohne Zeremonien oder Verlust einiger Zeit hingebracht wurde: Da hatte ich nun wohl Ursach, mich über Seine Majestät zu verwundern, da ich doch weder eine wohlbestellte Hofhaltung noch einiges Gepräng, ja aufs wenigst keinen Kanzler oder geheime Rät,

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