Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 286)

treffliche Verehrung setzen, weil alsdann der Fürst selbigen zur Zierde und Nutz des Lands aufbauen, und zu Vermehrung seines Interesse aller Welt bekanntmachen lassen wird.« »Ja«, sagten sie, »da wären wir wohl Narren, daß wir uns eine Rut auf unsern eigenen Hindern machten, wir wollten lieber, daß dich der Teufel mitsamt deinem Sauerbrunnen holete, du hast genug gehört, warum wir ihn nicht gerne sehen!« Ich antwortet: »Ach ihr heillose Tropfen, sollte ich euch nit meineidige Schelmen schelten, daß ihr aus der Art eurer frommen Voreltern so ferne abtrettet! dieselbige waren ihrem Fürsten so getreu, daß er sich ihrer rühmen dürfte, er wäre so kühn, in eines jeden seiner Undertanen Schoß seinen Kopf zu legen, und darin sicherlich zu schlafen; und ihr Mausköpf seid nicht so ehrlich, einer besorgenden geringen Arbeit willen, darum ihr doch mit der Zeit wieder ergetzt würdet, und deren all eure Nachkömmling reichlich zu genießen hätten, beides eurem hochlöblichen Fürsten zunutz, und manchem elenden Kranken zur Wohlfahrt und Gesundheit diesen heilsamen Sauerbrunnen zu offenbaren; was sollts sein, wanngleich etwan jeder ein paar Tag dazu fronte?« »Was«, sagten sie, »wir wollten dich, damit dein Sauerbrunnen verborgen bleibe ehender im Fron totschlagen.« »Ihr Vögel« (sagte ich) »es müßten eurer mehr sein!« zuckte darauf meinen Prügel, und jagte sie damit für alle Sankt Velten hinweg, gieng folgends gegen Niedergang und Mittag bergabwärts, und kame nach vieler Mühe und Arbeit gegen Abend wieder heim auf meinen Baurenhof, im Werk wahr zu sein befindend, was mir mein Knan zuvor gesagt hatte, daß ich nämlich von dieser Wallfahrt nichts als müde Bein, und den Hergang vor den Hingang haben würde.

Das 19. Kapitel

Etwas wenigs von den ungarischen Wiedertäufern und ihrer Art zu leben.

Nach meiner Heimkunft hielte ich mich gar eingezogen; mein größte Freud und Ergetzung war, hinter den Büchern zu sitzen, deren ich mir dann viel beischaffte, die von allerhand Sachen traktierten, sonderlich solche, die ein großes Nachsinnens bedorften; das was die Grammatici und Schulfüchse wissen müßten, war mir bald erleidet, und eben also wurde ich der Arithmeticae auch gleich überdrüssig; was aber die Musicam anbelangt, haßte ich dieselbe vorlängst wie die Pest, wie ich dann meine Laute zu tausend Stückern schmisse; die Mathematica und Geometria fand noch Platz bei mir; sobald ich aber von diesen ein wenig zu der Astronomia geleitet wurde, gab ich ihnen auch Feierabend und hieng dieser samt der Astrologia ein Zeitlang an, welche mich dann trefflich delektierten; endlich kamen sie mir auch falsch und ungewiß vor, also daß ich mich auch nicht länger mit ihnen schleppen mochte, sondern griffe nach der ›Kunst‹ Raymundi Lullii, fande aber viel Geschrei und wenig Wollen, und weil ich sie vor eine Topicam hielte, ließ ich sie fahren und machte mich hinter die Cabbalam der Hebräer und Hieroglyphicas der Ägyptier, fande aber die allerletzte und aus allen meinen Künsten und Wissenschaften, daß kein besser Kunst sei, als die Theologia, wann man vermittelst derselbigen Gott liebet und ihm dienet! Nach der Richtschnur derselbigen erfande ich vor die Menschen eine Art zu leben, die

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