Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 290)

ihm zu Wismar aufsaße, und mit ihm in Livland fuhr. Da war es nun auch nobis, dann er hatte nicht allein kein Regiment zu werben, sondern war auch sonsten ein blutarmer Edelmann, und was er hatte, war von seinem Weib da.

Ob ich nun zwar mich zweimal betrügen und soweit hinwegführen lassen, so gieng ich doch auch das drittemal an, dann er wiese mir Schreiben vor, die er aus der Moskau bekommen, in welchen ihm (seinem Vorgeben nach) hohe Kriegschargen angetragen wurden, maßen er mir dieselbige Schreiben so verteutschte, und von richtiger und guter Bezahlung trefflich aufschnitte: Und weilen er gleich mit Weib und Kind aufbrach, dachte ich, er wird ja um der Gäns willen nicht hinziehen; begab mich derowegen voll guter Hoffnung mit ihme auf den Weg, weil ich ohnedas kein Mittel und Gelegenheit sahe, vor diesmal wieder zurück in Teutschland zu kehren; sobalden wir aber über die reußische Grenze kamen, und uns unterschiedliche abgedankte teutsche Soldaten, vornehmlich Offizier begegneten, fienge mir an zu graueln, und sagte zu meinem Obristen: »Was Teufels machen wir? wo Krieg ist, da ziehen wir hinweg, und wo es Fried, und die Soldaten unwert und abgedankt worden, da kommen wir hin!« Er aber gab mir noch immer gute Wort, und sagte: Ich sollte ihn nur sorgen lassen, er wisse besser was zu tun sei, als diese Kerl, an denen nicht viel gelegen.

Nachdem wir nun sicher in der Stadt Moskau ankommen, sahe ich gleich daß es gefehlt hatte; mein Obrister konferierte zwar täglich mit den Magnaten, aber viel mehr mit den Metropoliten als den Knesen, welches mir gar nicht spanisch, aber viel zu pfäffisch vorkam; so mir auch allerhand Grillen und Nachdenkens erweckte, wiewohl ich nicht ersinnen könnte, nach was vor einem Zweck er zielte; endlich notifiziert er mir, daß es nichts mehr mit dem Krieg wäre, und daß ihn sein Gewissen treibe die griechische Religion anzunehmen; sein treuherziger Rat wäre, weil er mir ohnedas nunmehr nicht helfen konnte wie er versprochen, ich sollte ihm nachfolgen; des Zarn Majestät hätte bereits gute Nachricht von meiner Person und guten Qualitäten, die würden gnädigst belieben, wofern ich mich akkommodieren wollte, mich als einen Cavallier mit einem stattlichen adelichen Gut und vielen Untertanen zu begnädigen; welches allergnädigste Anerbieten nicht auszuschlagen wäre, indeme einem jedwedern ratsamer wäre, an ­einem solchen großen Monarchen mehr einen allergnädigsten Herrn, als einen ungeneigten Großfürsten zu haben; ich wurd hierüber ganz bestürzt, und wußte nichts zu antworten, weil ich dem Obristen, wann ich ihn an einem andern Ort gehabt, die Antwort lieber im Gefühl als im Gehör zu verstehen geben hätte; mußte aber meine Leier anders stimmen und mich nach demjenigen Ort richten, darin ich mich gleichsam wie ein Gefangner befande, weswegen ich dann, ehe ich mich auf eine Antwort resolvieren konnte, so lang stillschwiege: Endlich sagte ich zu ihm, ich wäre zwar der Meinung kommen, Ihrer Zarischen Majestät als ein Soldat zu dienen, worzu er der Herr Obriste mich daselbst veranlaßt hätte; seien nun Dieselbe meiner Kriegsdienste nicht bedürftig, so könnte ichs nicht ändern,

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