Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 291)

viel weniger Derselben Schuld zumessen, daß ich Ihrentwegen einen so weiten Weg vergeblich gezogen, weil sie mich nicht zu Ihro zu kommen beschrieben; daß aber Dieselbe mir ein so hohe Zarische Gnad allergnädigst widerfahren zu lassen geruheten, wäre mir mehr rühmlich aller Welt zu rühmen, als solche alleruntertänigst zu akzeptieren und zu verdienen, weil ich mich meine Religion zu mutieren noch zurzeit nicht entschließen könne, wünschend, daß ich wiederum am Schwarzwald auf meinem Baurenhof säße, um niemanden einiges Anliegen noch Ungelegenheiten zu machen. Hierauf antwortet er: »Der Herr tue nach seinem Belieben; allein hätte ich vermeinet, wann ihn Gott und das Glück grüßet, so sollte er beiden billich danken; wann er ihm aber ja nicht helfen lassen, noch gleichsam wie ein Prinz leben will, so verhoffe ich gleichwohl, er werde davorhalten, ich habe an ihm das meinig nach äußerstem Vermögen zu tun keinen Fleiß gespart.« Daraufhin machte er einen tiefen Bückling, gieng seines Wegs und ließe mich dort sitzen, ohne daß er zulassen wollte, ihme nur bis vor die Tür das Geleit zu geben.

Als ich nun ganz perplex dort saße und meinen damaligen Zustand betrachtete, hörete ich zween reußische Wägen vor unserm Losament, sahe darauf zum Fenster hinaus, und wie mein guter Herr Obrister mit seinen Söhnen in den einen, und die Frau Obristin mit ihren Töchtern in den andern einstiege; es waren des Großfürsten Fuhren und Liberei, zumalen etliche Geistliche dabei, so diesem Ehevolk gleichsam aufwarteten, und allen guten geneigten Willen erzeigten.

Das 21. Kapitel

Wie es Simplicio weiters in der Moskau ergieng.

Von dieser Zeit an wurde ich zwar nit offentlich, sondern heimlich durch etliche Strelitzen verwachet, ohne daß ichs einmal gewußt hätte, und mein Obrister oder die Seinige wurden mir nit einmal mehr zu sehen, also daß ichs nicht wissen konnte wo er hinkommen; damals setzte es, wie leicht zu erachten, seltsame Grillen, und ohne Zweifel auch viel graue Haar auf meinem Kopf. Ich machte Kundschaft mit den Teutschen, die sich beides, von Kauf- und Handwerksleuten in der Moskau ordinari aufhalten, und klagte denselben mein Anliegen, und welchergestalt ich mit Gefährden hindergangen worden; die gaben mir Trost und Anleitung, wie ich wieder mit guter Gelegenheit in Teutsch­land kommen könnte: Sobald sie aber Wind bekamen, daß der Zar mich im Land zu behalten entschlossen, und mich hierzu dringen wollte, wurden sie alle zu Stummen an mir, ja sie äußerten sich auch meiner, und wurde mir schwer, auch nur vor meinen Leib Herberg zu bekommen, dann ich hatte mein Pferd samt Sattel und Zeug bereits verzehrt und trennete heut eine, und morgen die andere Dukat aus, die ich hiebevor zum Vorrat so weislich in meine Kleider vernähet hatte. Zuletzt fienge ich auch an, meine Ring und Kleinodia zu versilbern, als der Hoffnung, mich solang zu enthalten, bis ich eine gute Gelegenheit wieder in Teutschland zu kommen, erharren möchte. Indessen lief ein Vierteljahr herum, nach welchem oftgemeldter Obriste samt seinem Hausgesind wieder umgetauft, und mit einem ansehenlichen adelichen Gut und vielen Undertanen wieder versehen wurde.

Damals gienge ein Mandat aus, daß man

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