Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 293)

erkennen; darauf antwortet ich, meine Affektion wäre jederzeit dahin gestanden, Ihrer Zarischen Majestät undertänigst zu dienen, maßen ich zu solchem Ende in Dero Land kommen wäre, seie auch noch solchergestalt intentioniert, wiewohl ich sähe, daß man mich gleichsam wie einen Gefangenen aufhalte: »Ei nicht so Herr«, antwortet er, »Ihr seid nicht gefangen, sondern Ihr Zarische Majestät lieben Euch so hoch, daß sie Eurer Person schier nicht wissen zu entbehren.« »Warum« (sagte ich) »werde ich dann verwacht?« »Darum«, antwortet er, »weil Ihr Zarische Majestät besorgen, es möchte Euch etwas Leids widerfahren.«

Als er nun meine Offerten verstunde, sagte er, daß Ihr Zarische Majestät allergnädigst bedacht wären, in Dero Landen selber Salpeter graben, und Pulver zurichten zu lassen; weil aber niemand unter ihnen wäre, der damit umgehen könnte, würde ich der Zarischen Majestät einen angenehmen Dienst erweisen, wann ich mich des Werks unterfienge; sie würden mir hierzu Leute und Mittel genug an die Hand schaffen, und er vor seine Person wolle mich aufs treuherzigste gebetten haben, ich wollte solches allergnädigstes Angesinnen nicht abschlagen, dieweilen sie bereits genugsame Nachricht hätten, daß ich mich auf diese Sachen trefflich wohl verstünde. Darauf antwortet ich: »Herr, ich sage vor wie nach, wann der Zarischen Majestät ich in etwas dienen kann, außer daß Sie gnädigst geruhen, mich in meiner Religion passieren zu lassen, so werde ich an meinem Fleiß nichts erwinden lassen.« Hierauf wurde dieser Reuß (welcher einer von den vornehmsten Knesen war) trefflich lustig, also daß er mir mit dem Trunk mehr zusprach, als ein Teutscher.

Den andern Tag kamen vom Zar zween Knesen und ein Dolmetsch, die ein Endliches mit mir beschlossen und von wegen des Zaren mir ein köstliches reußisches Kleid verehrten. Also fienge ich gleich etliche Tag hernach an Salpetererde zu suchen, und diejenige Reußen, so mir zugegeben waren, zu lernen, wie sie denselben von der Erden separieren und läutern sollten; und mithin verfertigte ich die Abriß zu einer Pulvermühlen, und lehrete andere die Kohlen brennen, daß wir also in gar kurzer Zeit sowohl des besten Bürsch- als des groben Stückpulvers eine ziemliche Quantität verfertigten, dann ich hatte Leut genug, und daneben auch meine sonderbare Diener, die mir aufwarten, oder besser zu sagen, die mich hüten und verwahren sollten.

Als ich mich nun so wohl anließe, kam der vielgemeldte Obriste zu mir, in reußischen Kleidern, und mit vielen Dienern ganz prächtig aufgezogen, ohne Zweifel durch solche scheinbarliche Herrlichkeit mich zu persuadieren, daß ich mich auch umtaufen lassen sollte; aber ich wußte wohl, daß die Kleider aus des Zaren Kleiderkasten waren, und ihm nur angeliehen, mir die Zähne weiß zu machen, weil solches an dem zarischen Hof der allergewöhnlichste Brauch ist.

Und damit der Leser verstehe, wie es damit pfleget herzugehen, will ich ein Exempel von mir selbst erzählen: Ich war einsmals geschäftig auf den Pulvermühlen, die ich außerhalb Moskau an den Fluß bauen lassen, Verordnung zu tun, was der ein und ander von meinen zugegebenen Leuten denselben und folgenden Tag vor Arbeit verrichten sollte, da wurde ohnversehens Alarm, weilen sich die Tartarn bereits vier Meilen weit auf

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