Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 298)

lauteten also:

Das 24. Kapitel

Ist das allerletzte, und zeiget an, warum und welchergestalt Simplicius die Welt wieder verlassen.

»Adjeu Welt, dann auf dich ist nicht zu trauen, noch von dir nichts zu hoffen, in deinem Haus ist das Vergangene schon verschwunden, das Gegenwärtige verschwindet uns unter den Händen, das Zukünftige hat nie angefangen, das Allerbeständigste fällt, das Allerstärkste zerbricht, und das Allerewigste nimmt ein End; also, daß du ein Toter bist unter den Toten, und in hundert Jahren läßt du uns nicht eine Stund leben.

Adjeu Welt, denn du nimmst uns gefangen, und läßt uns nicht wieder ledig, du bindest uns, und lösest uns nicht wieder auf; du betrübest und tröstest nit, du raubest, und gibest nichts wieder, du verklagest uns, und hast keine Ursach, du verurteilest, und hörest keine Partei; also daß du uns tötest ohne Urteil, und begräbest uns ohne Sterben! Bei dir ist keine Freud ohne Kummer, kein Fried ohne Uneinigkeit, keine Lieb ohne Argwohn, keine Ruhe ohne Forcht, keine Fülle ohne Mängel, keine Ehr ohne Makel, kein Gut ohne bös Gewissen, kein Stand ohne Klag, und keine Freundschaft ohne Falschheit.

Adjeu Welt, dann in deinem Palast verheißet man ohne Willen zu geben, man dienet ohne Bezahlen, man liebkoset, um zu töten, man erhöhet, um zu stürzen, man hilft, um zu fällen, man ehret, um zu schänden, man entlehnet, um nicht wiederzugeben, man straft, ohne Verzeihen.

Behüt dich Gott Welt, dann in deinem Haus werden die große Herren und Favoriten gestürzt, die Unwürdige herfürgezogen, die Verräter mit Gnaden angesehen, die Getreue in Winkel gestellt, die Boshaftige ledig gelassen, und die Unschuldige verurteilt; den Weisen und Qualifizierten gibt man Urlaub, und den Ungeschickten große Besoldung, den Hinderlistigen wird geglaubt, und die Aufrichtige und Redliche haben keinen Kredit, ein jeder tut was er will, und keiner was er tun soll.

Adjeu Welt, dann in dir wird niemand mit seinem rechten Namen genennet; den Vermessenen nennet man kühn, den Verzagten fürsichtig, den Ungestümmen emsig, und den Nachlässigen friedsam; einen Verschwender nennet man herrlich, und einen Kargen eingezogen; einen hinderlistigen Schwätzer und Plauderer nennet man beredt, und den Stillen einen Narrn oder Phantasten; einen Ehebrecher und Jungfrauenschänder nennet man einen Buhler; einen Unflat nennet man einen Hofmann, einen Rachgierigen nennet man einen Eiferigen, und einen Sanftmütigen einen Phantasten, also daß du uns das Giebige vor das Ungiebige, und das Ungiebige vor das Giebige verkaufest.

Adjeu Welt, dann du verführest jedermann; den Ehrgeizigen verheißest du Ehr, den Unruhigen Veränderung, den Hochtragenden Gnad bei Fürsten, den Nachlässigen Ämter, den Geizhälsen viel Schätze, den Fressern und Unkeuschen Freude und Wollust, den Feinden Rach, den Dieben Heimlichkeit, den Jungen langes Leben, und den Favoriten verheißest du beständige fürstliche Huld.

Adjeu Welt, dann in deinem Palast findet weder Wahrheit noch Treu ihre Herberg! wer mit dir redet wird verschamt, wer dir traut wird betrogen, wer dir folgt wird verführt, wer dich förchtet wird am allerübelsten gehalten, wer dich liebt wird übel belohnt und wer sich am allermeisten auf dich verläßt, wird auch am allermeisten zuschanden gemacht; an dir hilft kein Geschenk so

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