Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 300)
das Hinfallen und der vierzehende die Torheit! In dir o Welt, tut nicht einer was der ander tut, dann wann einer weinet, so lacht der ander, einer seufzet, der ander ist fröhlich; einer fastet, der ander zechet; einer bankettiert, der ander leidet Hunger; einer reutet, der ander gehet; einer redt, der ander schweigt; einer spielet, der ander arbeitet; und wann der eine geboren wird, so stirbt der ander. Also lebt auch nicht einer wie der ander, der eine herrschet, der ander dienet; einer weidet die Menschen, ein anderer hütet der Schwein; einer folgt dem Hof, der ander dem Pflug; einer reist auf dem Meer, der ander fährt über Land auf die Jahr- und Wochenmärkt; einer arbeit im Feur, der ander in der Erde; einer fischt im Wasser, und der ander fängt Vögel in der Luft; einer arbeitet härtiglich, und der ander stiehlet und beraubet das Land.
O Welt behüt dich Gott, dann in deinem Haus führet man weder ein heilig Leben, noch einen gleichmäßigen Tod; der eine stirbt in der Wiegen, der ander in der Jugend auf dem Bett, der dritte am Strick, der vierte am Schwerd, der fünfte auf dem Rad, der sechste auf dem Scheiterhaufen, der siebende im Weinglas, der achte in einem Wasserfluß, der neunte erstickt im Freßhafen, der zehende erworgt am Gift, der eilfte stirbt gähling, der zwölfte in einer Schlacht, der dreizehende durch Zauberei, und der vierzehende ertränkt seine arme Seel im Dintenfaß.
Behüt dich Gott Welt, dann mich verdreußt deine Konversation; das Leben so du uns gibst, ist ein elende Pilgerfahrt, ein unbeständigs, ungwisses, hartes, rauhes, hinflüchtiges und unreines Leben, voll Armseligkeit und Irrtum, welches vielmehr ein Tod als ein Leben zu nennen; in welchem wir all Augenblick sterben durch viel Gebrechen der Unbeständigkeit und durch mancherlei Weg des Tods! du läßt dich der Bitterkeit nicht genügen, mit deren du umgeben und durchsalzen bist, sondern betreugst noch dazu die meiste mit deinem Schmeicheln, Anreizung und falschen Verheißungen; du gibst aus dem güldenen Kelch, den du in deiner Hand hast, Bitterkeit und Falschheit zu trinken, und machst sie blind, taub, toll, voll und sinnlos, ach wie wohl denen, die dein Gemeinschaft ausschlagen: deine schnelle augenblickliche hinfahrende Freud verachten, dein Gesellschaft verwerfen, und nicht mit einer solchen arglistigen verlornen Betriegerin zugrund gehen; dann du machest aus uns einen finstern Abgrund, ein elendes Erdreich, ein Kind des Zorns, ein stinkendes Aas, ein unreines Geschirr in der Mistgrub, ein Geschirr der Verwesung voller Gestank und Greuel, dann wann du uns lang mit Schmeicheln, Liebkosen, Dräuen, Schlagen, Plagen, Martern und Peinigen umgezogen und gequält hast, so überantwortest du den ausgemergelten Körper dem Grab, und setzest die Seel in ein ungewisse Schanz. Dann obwohl nichts Gewissers ist als der Tod, so ist doch der Mensch nicht versichert, wie, wann und wo er sterben, und (welches das erbärmlichste ist) wo sein Seel hinfahren, und wie es derselben ergehen wird: Wehe aber alsdann der armen Seelen, welche dir, o Welt, hat gedienet, gehorsamt und deinen Lüsten und Uppigkeiten hat gefolgt, dann nachdem eine solche