Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 322)
nun Gott bescherrt, was du deinem Herrn abgestohlen hast? solltest du ihm in seinen Nöten nit mit dem Seinigen zu Hülf kommen? und das um soviel desto ehender, dieweil du, solang er etwas hatte, mitgemacht, und das Seinige hast verfressen, versaufen, verhuren, verbuben, verspielen und verbankettieren helfen? O Vogel, gedachte ich, du bist zwar aus Engelland kommen wie ein Schaf, aber seit dich der Geiz besessen, in Frankreich zu einem Fuchs, ja gar zu einem Wolf worden.) »Sollte ich nun«, sagte er weiter, »solche Gaben Gottes nicht in acht nehmen und zu meines künftigen Lebens Aufenthalt anlegen, so müßte ich sorgen, ich möchte mich dadurch alles meines künftigen Glücks unwürdig machen, das ich noch etwan zu hoffen; wen Gott grüßt, der soll ihm danken, es dürfte mir vielleicht mein Leben lang kein solcher Fund wieder geraten; soll ich nun dieses an ein Ort hingeben, dahin auch reiche Engelländer nichts mehr lehnen wollen, weil sie die beste Unterpfand bereits hinweg haben, wer wollte mir solches raten? Zudem haben mir Euer Gnaden selbst gesagt, wann ich etwas habe, so sollte ichs behalten; und überdies alles liegt mein Geld auf der Wechselbank, welches ich nit kriegen kann wann ich will, ich wollte mich dann eines großen Interesse verzeihen.«
Diese Wort waren dem Julo zwar schwer zu verdauen, als deren er sich weder von seinem getreuen Diener versehen, noch von andern zu hören gewohnt war; aber der Schuh, den ihm Hoffart und Verschwendung angelegt, druckte ihn so hart, daß er sie leichtlich verschmirzte, vor billich hielte, und durch Bitten so viel vom Avaro brachte, daß er ihm alles sein erschundenes und abgestohlenes Geld vorliehe, mit dem Geding, daß sein, des Avari Liedlohn samt demjenigen so er noch in vier Wochen an Interesse davon haben können, zur Haubtsumma geschlagen, mit 8 pro cento jährlich verzinset, und, damit er um Haubtsumma und Pension versichert sein möchte, ihme ein frei adelich Gut, so Julo von seiner Mutter Schwester vermacht worden, verpfändet werden sollte; welches auch alsobalden in Gegenwart der andern Engelländer als erbettene Zeugen in der allerbesten Form geschahe, und belieffe sich die Summa allerdings auf sechshundert Pfund Sterling, welches nach unsrer Münz ein namhafts Stück Geld macht.
Kaum war obiger Kontrakt gemacht, die Verschreibung verfertigt, und das Geld dargezählet, da kam Julo die Verkündigung eines erfreulichen Leids, daß nämlich sein Herr Vatter die Schuld der Natur bezahlt hätte, weswegen er dann gleichsam eine fürstliche Trauer anlegte, und sich gefaßt machte, ehistens nach Engelland zu verreisen, mehr die Erbschaft anzutretten als seine Mutter zu trösten; da sahe ich meinen Wunder, wie Julus wieder einen Haufen Freund bekam, weder er vor etlich Tagen gehabt; auch wurde ich gewahr, wie er heuchlen konnte, dann wann er bei den Leuten war, so stellte er sich um seinen Vatter gar leidig; aber beim Avaro allein sagte er: »Wäre der Alte noch länger lebendig geblieben, so hätte ich endlich heim bettlen müssen, sonderlich wann du, Avare, mir mit deinem Gelt nicht wärest zu Hülf kommen.«
Das 8. Kapitel
Julus nimmt seinen Abscheid in England