Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 339)

oder sonst seinen Freunden, als ein gewisse Sach, kommunizieren, die sich alsdann darauf verlassen, in unnötige Gefahr geben, und darüber ins Gras beißen werden, ehe sie zeitig; wer wäre alsdann an ihrem frühen Tod anders schuldig als du? wollte derowegen wiederum zurücklaufen, einen Widerruf zu tun; weil ich aber sorgen mußte, wann ich ihm wieder in die Kluppen käme, würde er mich härter als zuvor halten, oder mir doch wenigst den Betrug eintränken, als begab ich mich ferners nach Eglisau; daselbst erbettelt ich Speis, Trank, Nachtherberg und einen halben Bogen Papier; darauf schriebe ich folgends: »Edler und frommer hochgeehrter Herr, ich bedanke mich nachmalen der guten Herberg, und bitte Gott daß ers dem Herrn wieder tausendfaltig vergeben wolle, sonst hab ich Sorg, der Herr möchte sich vielleicht künftig zu weit in Gefahr wagen und Gott versuchen, weil er so eine treffliche Kunst von mir wider das Schießen gelernet; als habe ich den Herrn warnen, und ihm die Kunst erläutern wollen, damit sie ihm vielleicht nicht zu Unstatten und Schaden gereiche; ich hab geschrieben:

›Das Mittel der folgend Schrift, behüt daß dich keine Kugel trifft.‹

Solches verstehe der Herr recht, und nehme aus jedem unteutschen Wort, als welche weder zauberisch noch sonst von Kräften sein, den mittlern Buchstaben heraus, setze sie der Ortnung nach zusammen, so wird es heißen: ›Steh an ein Ordt da niemant hinscheust, so bistu sicher.‹ Dem folge der Herr, denke meiner zum besten, und bezeihe mich keines Betrugs, warmit ich uns beiderseits Gottes Schutz befehle, der allein beschützet welchen er will. Dat. etc.«

Des andern Tags wollte man mich nicht passieren lassen, weil ich kein Geld hatte, den Zoll zu entrichten, mußte derowegen wohl zwo Stund sitzen bleiben bis ein ehrlicher Mann kam, der die Gebühr um Gottes willen vor mich darlegte; dasselbe muß mir aber sonst niemand als ein Henker gewesen sein, dann der Zoller sagte zu ihm: »Wie dunkt Euch, Meister Christian, getrauet Ihr wohl an diesem Kerl einen zeitlichen Feierabend zu machen?« »Ich weiß nit«, antwortet Meister Christian, »ich hab meine Kunst noch nie an den Pilgern probiert, wie an Euersgleichen Zollern«; davon kriegte der Zoller ein lange Nas, ich aber trollte fort Zürich zu, allwo ich auch ererst mein Schreiben zuruck auf Schaffhausen bestellte, weil mir nit geheur bei der Sach war.

Das 14. Kapitel

Allerhand Aufschneidereien des Pilgers, die einem auch in einem hitzigen Fieber nicht seltsamer vorkommen können.

Damal erfuhr ich, daß einer nit wohl in der Welt fortkommt der kein Geld hat, wann einer dessen zu seines Lebens Aufenthalt gleich gern entbehren wollte; andere Pilger, die Geld hatten und auch nach Einsiedlen wollten, saßen zu Schiff und ließen sich den See hinaufführen, dahingegen mußte ich durch Umweg zu Fuß forttanzen, keiner andern Ursachen halber, als weil ich den Fergen nit zu bezahlen vermochte; ich ließe mich solches aber mitnichten anfechten, sonder machte desto kürzere Tagreisen, und nahm mit allen Herbergen verlieb, wie sie mir anstunden, und hätte ich auch in einem Beinhäusel übernachten sollen; wann mich aber irgends ein Fürwitziger meiner Seltsamkeit wegen

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