Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 337)

welche mein Gastherr gefunden und aufgehaben hatte; derowegen tratte er selber zu mir in die Kammer, wiese mir die Verzeichnus, und fragte, obs wohl müglich sei, daß diese Stück natürlicherweise verrichtet werden könnten; er zwar könnte es schwerlich glauben, doch müsse er gestehen, daß in seiner Jugend, als er sich knabenweis bei dem Feldmarschallen von Schauenburg in Italia aufgehalten, von etlichen ausgeben worden wäre, die Fürsten von Savoya seien alle vor den Kuglen versichert; solches hätte gedachter Feldmarschall an Prinz Thomae versuchen wol­len, den er in einer Festung belägert gehalten; dann als sie einsmals beiderseits eine Stund Stillstand beliebt, die Tote zu begraben und Unterredung miteinander zu pflegen, hätte er einem Korporal von seinem Regiment, der vor den gewissesten Schützen unter der ganzen Armee gehalten worden, Befelch geben, mit seinem Rohr, damit er auf fünfzig Schritt ein brennende Kerzen ohnausgelescht butzen können, gedachtem Prinzen, der sich zur Konferenz auf die Brustwehr des Walls begeben, aufzupassen, und sobald die bestimmte Stund des Stillstands verflossen, ihme ein Kugel zuzuschicken; dieser Korporal hätte nun die Zeit fleißig in acht genommen und mehr ermeldten Prinzen die ganze Zeit des Stillstands fleißig im Gesicht und vor seinem Absehen behalten; auch, als sich der Stillstand mit dem ersten Glockenstreich geendet, und jeder von beiden Teilen sich in Sicherheit retiriert, auf ihn losgetruckt; das Rohr hätte ihm aber wider alles Vermuten versagt, und seie der Prinz, bis der Korporal wieder gespannt, hinder die Brustwehr kommen; worauf der Korporal dem Feldmarschall, der sich auch zu ihm in den Laufgraben begeben gehabt, einen Schweizer aus des Prinzen Quardi gewiesen, auf welchen er gezielt, und denselben dergestalt getroffen, daß er über und über geburzelt; woraus dann handgreiflich abzunehmen gewesen, daß etwas an der Sach sei, daß nämlichen kein Fürst von Savoya von Büchsenschüssen getroffen oder beschädigt werden möge; ob nun solches auch durch dergleichen Künste zugienge oder ob vielleicht dasselbe hohe fürstliche Haus ein absonderliche Gnad von Gott habe, weil es wie man sagt, aus dem Geschlecht des königlichen Propheten Davids entsprossen, könnte er nicht wissen.

Ich antwortet: »So weiß ichs auch nicht; aber dies weiß ich gewiß, daß die verzeichnete Künste natürlich und keine Zauberei sein.« Und wann er ja solches nicht glauben wollte, so sollte er mir nur sagen, welche er vor die verwunderlichste und ohnmüglichste halte, so wollte ich ihm dieselbige gleich probieren, doch soferne es eine sei, die nicht längere Zeit und andere Gelegenheit erfordere, als ich übrig hätte solche ins Werk zu setzen, weil ich gleich fortwandern, und meine vorhabende Reis befürdern müßte; darauf sagte er, dies kame ihm am unmüglichsten vor, daß das Büchsenpulver nicht brennen soll, wann Feur dazu komme, ich würde dann zuvor das Pulver ins Wasser schütten; wann ich solches natürlicherweis so probieren könne, so wolle er von den andern Künsten allen, deren gleichwohl über die 60 waren, glauben, was er nicht sehe, und vor solcher Prob nicht glauben könne; ich antwortet, er sollte mir nur geschwind einen einigen Schuß Pulver und noch eine Materia, die ich dazu brauchen müßte, samt Feuer

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