Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 76)

als lauter Vanitäten und Torheiten? Ja sie seind ebenso leer, eitel und unnütz als die Titul selbst, die einem von denselbigen zustehen möchten; dann entweder dienen sie zum Geiz, oder zur Wollust, oder zur Üppigkeit, oder zum Verderben anderer Leut, wie dann die schröckliche Dinger auch sind, die ich neulich auf den halben Wägen sahe; so könnte man der Druckerei und Schriften auch wohl entbehren, nach Ausspruch und Meinung jenes heiligen Manns, welcher davorhielte, die ganze weite Welt sei ihm Buchs genug, die Wunder seines Schöpfers zu betrachten, und die göttliche Allmacht daraus zu erkennen.«

Das 11. Kapitel

Von dem mühseligen und gefährlichen Stand eines Regenten.

Mein Herr wollte auch mit mir scherzen und sagte: »Ich merke wohl, weil du nicht edel zu werden getrauest, so verachtest du des Adels Ehrentitul«; ich antwortet: »Herr, wann ich schon in dieser Stund an deine Ehrenstell tretten sollte, so wollte ich sie doch nicht annemmen!« Mein Herr lachte, und sagte: »Das glaube ich, dann dem Ochsen gehöret Haberstroh; wann du aber einen hohen Sinn hättest, wie adeliche Gemüter haben sollen, so würdest du mit Fleiß nach hohen Ehren und Dignitäten trachten. Ich meinesteils achte es für kein geringes, wenn mich das Glück über andere erhebt.« Ich seufzete und sagte: »Ach, arbeitselige Glückseligkeit! Herr, ich versichere dich, daß du der allerelendeste Mensch in ganz Hanau bist.« »Wie so? wie so? Kalb«, sagte mein Herr, »sag mir doch die Ursach, dann ich befinde solches bei mir nicht.« Ich antwortet: »Wenn du nicht weißt und empfindest, daß du Gubernator in Hanau, und mit wieviel Sorgen und Unruhe du deswegen beladen bist, so verblendet dich die allzu große Begierd der Ehr, deren du genießest, oder du bist eisern und ganz unempfindlich; du hast zwar zu befehlen, und wer dir unter Augen kommt, muß dir gehorsamen; tun sie es aber umsonst? bist du nicht ihrer aller Knecht? mußt du nicht vor einen jedwedern insonderheit sorgen? Schaue, du bist jetzt rundumher mit Feinden umgeben, und die Konservation dieser Festung liegt dir allein auf dem Hals, du mußt trachten, wie du deinem Gegenteil einen Abbruch tun mögest, und mußt daneben sorgen, daß deine Anschläg nicht verkundschaftet werden; bedürfte es nicht öfters, daß du selber, wie ein gemeiner Knecht, Schildwach stündest? Überdas mußt du bedacht sein, daß kein Mangel an Geld, Munition, Proviant und Volk im Posten erscheine, deswegen du dann das ganze Land durch stetiges Exequieren und Tribulieren in der Kontribution erhalten mußt; schickest du die Deinige zu solchem End hinaus, so ist rauben, plündern, stehlen, brennen und morden ihre beste Arbeit; sie haben erst neulich Orb geplündert, Braunfels eingenommen, und Staden in die Asche gelegt; davon haben sie zwar ihnen Beuten, du aber eine schwere Verantwortung bei Gott gemachet: Ich lasse sein, daß dir vielleicht der Genuß neben der Ehr auch wohltut, weißt du aber auch, wer solche Schätz, die du etwan sammlest, genießen wird? Und gesetzt, daß dir solcher Reichtum verbleibt (so doch mißlich stehet) so mußt du sie doch in der Welt lassen und nimmst nichts davon

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