Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 74)
Kinder erben, so muß ich davorhalten, dein Vatter sei ein Stockfisch, und dein Mutter ein Platteiß gewesen.« »Ha!« antwort der Secretarius, »wann es damit wohl ausgericht sein wird, wann wir einander schänden wollen, so könnte ich dir vorwerfen, daß dein Knan ein grober Spesserter Baur gewesen, und ob es zwar in deiner Heimat und Geschlecht die größte Knollfinken abgibt, daß du dich annoch noch mehr verringert habest, indem du zu einem unvernünftigen Kalb worden bist.« »Da recht«, antwortet ich, »das ists was ich behaupten will, daß nämlich der Eltern Tugenden nicht allweg auf die Kinder erben und daß dahero die Kinder ihrer Eltern Tugendtituln auch nicht allweg würdig seien; mir zwar ists kein Schand, daß ich ein Kalb bin worden, dieweil ich in solchem Fall dem großmächtigen König Nabuchodonosor nachzufolgen die Ehr habe, wer weiß, ob es nicht Gott gefällt, daß ich auch wieder wie dieser, zu einem Menschen, und zwar noch größer werde, als mein Knan gewesen? Ich rühme einmal diejenige, die sich durch eigene Tugenden edel machen.« »Nun gesetzt, aber nicht gestanden«, sagt der Secretarius, »daß die Kinder ihrer Eltern Ehrentitul nicht allweg erben sollen, so mußt du doch gestehen, daß diejenige alles Lobs wert seien, die sich selbst durch Wohlverhalten edel machen; wann dann dem also, so folget, daß man die Kinder wegen ihrer Eltern billich ehret, dann der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Wer wollte in Alexandri M. Nachkömmlingen, wenn anders noch einige vorhanden wären, ihres alten Urahnherrn herzhafte Dapferkeit im Krieg nicht rühmen: Dieser erwiese seine Begierde zu fechten in seiner Jugend mit Weinen, als er noch zu keinen Waffen tüchtig war, besorgend, sein Vatter möchte alles gewinnen und ihme nichts zu bezwingen übriglassen; hat er nicht noch vor dem dreißigsten Jahr seines Alters die Welt bezwungen, und noch ein andere zu bestreiten gewünscht? hat er nicht in einer Schlacht, die er mit den Indianern gehalten, da er von den Seinigen verlassen war, aus Zorn Blut geschwitzet? War er nicht anzusehen, als ob er mit lauter Feurflammen umgeben war, so daß ihn auch die Barbaren vor Forcht streitend verlassen mußten? Wer wollte ihn nicht höher und edler, als andere Menschen schätzen, da doch Quintus Curtius von ihm bezeuget, daß sein Atem wie Balsam, der Schweiß nach Bisem, und sein toter Leib nach köstlicher Spezerei gerochen: Hier könnte ich auch einführen den Julium Cäsarem und den Pompejum, deren der eine über und neben den Victorien, die er in den bürgerlichen Kriegen behauptet, fünfzigmal in offenen Feldschlachten gestritten und 1 152 000 Mann erlegt und totgeschlagen hat, der ander hat neben 940 den Meerräubern abgenommenen Schiffen, vom Alpgebürg an bis in das äußerste Hispanien, 876 Städt und Flecken eingenommen und überwunden. Den Ruhm Marci Sergii will ich verschweigen und nur ein wenig von dem Lucio Sucio Dentato sagen, welcher Zunftmeister zu Rom war, als Spurius Turpejus und Aulus Eternius Burgermeister gewesen; dieser ist in 110 Feldschlachten gestanden und hat achtmal diejenige überwunden, so ihn herausgefordert, er konnte 45 Wundmäler an seinem Leib zeigen, die er alle