Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 79)

nit, dann die Quellen geben mir einen gesunden Trank, anstatt deiner köstlichen Wein, und derjenige, der mich zum Kalb werden zu lassen beliebet, wird mir auch die Gewächs des Erdbodens dergestalt zu segnen wissen, daß sie mir wie dem Nabuchodonosore zur Speis und Aufenthalt meines Lebens auch nicht unbequem sein werden; so hat mich die Natur auch mit einem guten Belz versehen, da dir hingegen oft vor dem Besten eckelt, der Wein deinen Kopf zerreißt, und dich bald in diese oder jene Krankheit wirft.«

Mein Herr antwortet: »Ich weiß nicht was ich an dir habe? du bedünkest mich vor ein Kalb viel zu verständig zu sein, ich vermeine schier, du seiest unter deiner Kalbshaut mit einer Schalkshaut überzogen?« Ich stellte mich zornig, und sagte: »Vermeinet ihr Menschen dann wohl, wir Tiere seien gar Narren? Das dürft ihr euch wohl nicht einbilden! Ich halte davor, wann ältere Tier als ich so wohl als ich reden könnten, sie würden euch wohl anders aufschneiden: Wann ihr vermeint, wir seien so gar dumm, so sagt mir doch, wer die wilde Blochdauben, Häher, Amseln und Rebhühner gelernet hat, wie sie sich mit Lorbeerblättern purgieren sollen? und die Dauben, Turteldäublein und Hühner mit S. Peterskraut? Wer lehret Hund und Katzen, daß sie das betaute Gras fressen sollen, wann sie ihren vollen Bauch reinigen wollen? Wer die Schildkrott, wie sie die Biß mit Schierling heilen? und den Hirsch, wann er geschossen, wie er seine Zuflucht zu dem Dictamno oder wilden Polei nehmen solle? Wer hat das Wieselin unterrichtet, daß es Rauten gebrauchen solle, wenn es mit der Fledermaus oder irgendeiner Schlang kämpfen will? Wer gibt den wilden Schweinen den Efeu, und den Bären den Alraun zu erkennen und sagt ihnen, daß es gut seie zu ihrer Arznei? Wer hat dem Adler geraten, daß er den Adlerstein suchen und gebrauchen soll, wann er seine Eier schwerlich legen kann? Und welcher gibt es der Schwalbe zu verstehen, daß sie ihrer Jungen blöde Augen mit dem Chelidonio arzneien solle? Wer hat die Schlang instruiert, daß sie soll Fenchel essen, wann sie ihre Haut abstreifen, und ihren dunkeln Augen helfen will? Wer lehret den Storch, sich zu klüstieren? den Pelikan, sich Ader zu lassen? und den Bären, wie er ihm von den Bienen solle schrepfen lassen? Was, ich dürfte schier sagen, daß ihr Menschen eure Künste und Wissenschaften von uns Tieren erlernet habt! Ihr freßt und sauft euch krank und tot, das tun wir Tier aber nicht! Ein Löw oder Wolf, wenn er zu fett werden will, so fastet er, bis er wieder mager, frisch und gesund wird. Welches Teil handelt nun am weislichsten? Über dieses alles betrachtet das Geflügel unter dem Himmel! betrachtet die unterschiedliche Gebäue ihrer artlichen Nester, und weil ihnen ihre Arbeit niemand nachmachen kann, so müßt ihr ja bekennen daß sie beides, verständiger und künstlicher sein, als ihr Menschen selbst: Wer sagt den Sommervögeln, wann sie gegen dem Frühling zu uns kommen und Jungen hecken? und gegen dem Herbst, wann sie sich wieder von dannen in die warme

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