Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 80)
Länder verfügen sollen? Wer unterrichtet sie, daß sie zu solchem End einen Sammelplatz bestimmen müssen? Wer führet sie, oder wer weiset ihnen den Weg, oder leihet ihr Menschen vielleicht ihnen euern Seekompaß, damit sie unterwegs nicht irrfahren? Nein, ihr liebe Leut, sie wissen den Weg ohne euch, und wie lang sie darauf müssen wandern, auch wann sie von einem und dem andern Ort aufbrechen müssen; bedürfen also weder eures Kompasses noch eures Kalenders. Ferners beschauet die mühsame Spinn, deren Geweb beinahe ein Wunderwerk ist! Sehet, ob ihr auch einen einigen Knopf in aller ihrer Arbeit finden möget? Welcher Jäger oder Fischer hat sie gelehret, wie sie ihr Netz ausspannen, und sich, je nachdem sie sich eines Netzes gebraucht, ihr Wildbret zu belaustern, entweder in den hindersten Winkel, oder gar in das Zentrum ihres Gewebs setzen solle? Ihr Menschen verwundert euch über den Raben, von welchem Plutarchus bezeugt, daß er so viel Stein in ein Geschirr, so halb voll Wasser gewesen, geworfen, als das Wasser so weit oben gestanden, daß er bequemlich hab trinken mögen: Was würdet ihr erst tun, wann ihr bei und unter den Tieren wohnen, und ihre übrige Handlungen, Tun und Lassen ansehen und betrachten würdet; alsdenn würdet ihr erst bekennen, daß es sich ansehen lasse, als hätten alle Tier etwas besonderer eigener natürlicher Kräften und Tugenden in allen ihren Affectionibus und Gemütsneigungen, in der Fürsichtigkeit, Stärk, Mildigkeit, Forchtsamkeit, Rauchheit, Lehr und Unterrichtung; es kennet je eines das ander, sie unterscheiden sich vor einander, sie stellen dem nach, so ihnen nützlich, fliehen das schädlich, meiden die Gefahr, sammlen zusammen, was ihnen zu ihrer Nahrung notwendig ist, und betrügen auch bisweilen euch Menschen selbst. Dahero viel alte Philosophi solches ernstlich erwogen, und sich nicht geschämet haben zu fragen und zu disputieren, ob die unvernünftige Tier nicht auch Verstand hätten? Ich mag aber nichts mehr von diesen Sachen reden, gehet hin zu den Immen, und sehet, wie sie Wachs und Honig machen, und alsdann sagt mir euer Meinung wieder.«
Das 13. Kapitel
Hält allerlei Sachen in sich, wer sie wissen will, muß es nur selbst lesen, oder ihm lesen lassen.
Hierauf fielen unterschiedliche Urteil über mich, die meines Herrn Tischgenossen gaben. Der Secretarius hielte davor, ich seie vor närrisch zu halten, weil ich mich selbst vor ein vernünftig Tier schätzte und dargäbe, maßen diejenige so ein Sparrn zu viel oder zu wenig hätten, und sich jedoch weis zu sein dünkten, die allerartlichste oder visierlichste Narren wären: Andere sagten, wenn man mir die Imagination benähme, daß ich ein Kalb seie, oder mich überreden könnte, daß ich wieder zu einem Menschen worden wäre, so würde ich vor vernünftig oder witzig genug zu halten sein. Mein Herr selbst sagte: »Ich halte ihn vor einen Narrn, weil er jedem die Wahrheit so ungescheut sagt; hingegen seind seine Diskursen so beschaffen, daß solche keinem Narrn zustehen.« Und solches alles redeten sie auf Latein, damit ichs nicht verstehen sollte. Er fragte mich, ob ich studiert hätte, als ich noch ein Mensch gewesen? »Ich wüßte nicht, was