Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 81)
studieren seie«, war mein Antwort, »aber lieber Herr«, sagte ich weiters, »sag mir, was Studen vor Dinger sein, damit man studieret? Nennest du vielleicht die Kegel so, damit man keglet?« Hierauf antwortet der dolle Fähnrich: »Watt wolts met deesem Kerl sin? hey hett den Tüfel in Liff, hey ist beseeten, de Tüfel der kühret ut jehme.« Dahero nahm mein Herr Ursach, mich zu fragen, sintemal ich dann nunmehr zu einem Kalb worden wäre, ob ich noch wie vor diesem, gleich andern Menschen, zu beten pflege, und in Himmel zu kommen getraue? »Freilich«, antwortet ich, »ich habe ja meine unsterbliche menschliche Seel noch, die wird ja, wie du leichtlich gedenken kannst, nicht in die Höll begehren, vornehmlich weil mirs schon einmal so übel darinnen ergangen; ich bin nur verändert, wie vor diesem Nabuchodonosor, und dürfte ich noch wohl zu seiner Zeit wieder zu einem Menschen werden.« »Das wünsche ich dir«, sagte mein Herr mit einem zimblichen Seufzen: Daraus ich leichtlich schließen konnte, daß ihn eine Reu ankommen, weil er mich zu einem Narren zu machen unterstanden. »Aber laß hören«, fuhr er weiter fort, »wie pflegst du zu beten?« Darauf knieet ich nieder, hube Augen und Hände auf gut einsiedlerisch gen Himmel, und weilen meines Herrn Reu, die ich gemerkt hatte, mir das Herz mit trefflichem Trost berührte, konnte ich auch die Tränen nicht enthalten, bat also dem äußerlichen Ansehen nach, mit höchster Andacht, nach gesprochenem Vatterunser, vor alles Anliegen der Christenheit, vor meine Freund und Feind, und daß mir Gott in dieser Zeitlichkeit also zu leben verleihen wolle, daß ich würdig werden möchte, ihn in ewiger Seligkeit zu loben; maßen mich mein Einsiedel ein solches Gebet mit andächtigen konzipierten Worten gelehret hat. Hiervon fiengen etliche weichherzige Zuseher auch beinahe an zu weinen, weil sie ein trefflich Mitleiden mit mir trugen, ja meinem Herrn selbst stunden die Augen voller Wasser.
Nach der Mahlzeit schickte mein Herr nach obgemeldtem Pfarrherrn; dem erzählte er alles, was ich vorgebracht hatte, und gab damit zu verstehen, daß er besorge, es gehe nicht recht mit mir zu, und daß vielleicht der Teufel mit unter der Decken läge, dieweil ich vor diesem ganz einfältig und unwissend mich erzeigt, nunmehr aber Sachen vorzubringen wisse, daß sich darüber zu verwundern! Der Pfarrer, dem meine Beschaffenheit am besten bekannt war, antwortet: Man sollte solches bedacht haben, ehe man mich zum Narrn zu machen unterstanden hätte; Menschen seien Ebenbilder Gottes, mit welchen, und bevorab mit so zarter Jugend, nicht wie mit Bestien zu scherzen seie; doch wolle er nimmermehr glauben, daß dem bösen Geist zugelassen worden, sich mit in das Spiel zu mischen, dieweil ich mich jederzeit durch inbrünstiges Gebet Gott befohlen gehabt; sollte ihm aber wider Verhoffen solches verhängt und zugelassen worden sein, so hätte mans bei Gott schwerlich zu verantworten, maßen ohnedas beinahe keine größere Sünd sei, als wenn ein Mensch den andern seiner Vernunft berauben, und also dem Lob und Dienst Gottes, dazu er vornehmlich erschaffen worden, entziehen wollte. »Ich habe hiebevor Versicherung getan, daß er Witz genug gehabt; daß