Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 83)
er geschrieen, seine Nas seie jetzt wieder in rechter Form; kann also, wie diesen Personen, dem guten Simplicio wohl auch wieder geholfen werden.«
»Dieses alles glaubte ich wohl«, antwortet mein Herr, »allein liegt mir an, daß er zuvor so unwissend gewesen, nunmehr aber von Sachen zu sagen weiß, solche auch so perfekt dahererzählet, dergleichen man bei älteren, erfahrneren und belesneren Leuten, als er ist, nicht leichtlich finden wird; er hat mir viel Eigenschaften der Tier erzählt und mein eigene Person so artlich beschrieben, als wenn er sein Lebtag in der Welt gewesen, also daß ich mich darüber verwundern, und seine Reden beinahe vor ein Orakul oder Warnung Gottes halten muß.«
»Herr«, antwortet der Pfarrer, »dieses kann natürlicherweis wohl sein, ich weiß, daß er wohl belesen ist, maßen er sowohl als sein Einsiedel gleichsam alle meine Bücher die ich gehabt, und deren zwar nicht wenig gewesen, durchgangen, und weil der Knab ein gut Gedächtnus hat, jetzo aber in seinem Gemüt müßig ist, und seiner eigenen Person vergißt, kann er gleich hervorbringen, was er hiebevor ins Hirn gefaßt; ich versehe mich auch, daß er mit der Zeit wieder zurechtzubringen sei.« Also setzt der Pfarrer den Gubernator zwischen Forcht und Hoffnung; er verantwortet mich und mein Sach auf das beste, und bracht mir gute Tag, ihme selbst aber ein Zutritt bei meinem Herrn zuwegen. Ihr endlicher Schluß war, man sollte noch ein Zeitlang mit mir zusehen; und solches tät der Pfarrer mehr um seines als meines Nutzens wegen, dann mit diesem, daß er so ab- und zugieng, und sich stellet, als wenn er meinethalben sich bemühet, und große Sorg trug, überkam er des Gubernators Gunst; dahero gab ihm derselbige Dienst und machte ihn bei der Garnison zum Kaplan, welches in so schwerer Zeit kein Geringes war, und ich ihm herzlich wohl gönnete.
Das 14. Kapitel
Was Simplicius ferner vor ein edel Leben geführt, und wie ihn dessen die Kroaten beraubt, als sie ihn selbst raubten.
Von dieser Zeit an besaß ich meines Herrn Gnad, Gunst und Lieb vollkommenlich, dessen ich mich wohl mit Wahrheit rühmen kann; nichts mangelt mir zu meinem bessern Glück, als daß ich an meinem Kalbskleid zu viel, und an Jahren noch zu wenig hatte, wiewohl ich solches selbst nicht wußte; so wollte mich der Pfarrer auch noch nicht witzig haben, weil ihn solches noch nicht Zeit, und seinem Nutzen vorträglich zu sein bedünkte. Und demnach mein Herr sahe, daß ich Lust zur Musik hatte, ließ er mich solche lernen, und verdinget mich zugleich einem vortrefflichen Lautenisten, dessen Kunst ich in Bälde ziemlich begriffe und ihn um so viel übertraf, weil ich besser als er darein singen konnte: Also dienete ich meinem Herrn zum Lust, zur Kurzweil, Ergetzung und Verwunderung. Alle Offizier erzeigten mir ihren geneigten Willen, die reichste Bürger verehrten mich, und das Hausgesind neben den Soldaten wollten mir wohl, weil sie sahen, wie mir mein Herr gewogen war; einer schenkte mir hier, der ander dort, dann sie wußten, daß Schalksnarren oft bei ihren Herren mehr vermögen, als etwas Rechtschaffene, und