Ungekürztes Werk "Das Wirtshaus im Spessart" von Wilhelm Hauff (Seite 13)

aber laßt uns darum würfeln, wer ihn in Zukunft besitzen soll. Werde ich glücklicher sein als ihr, so könnt ihr immer bei mir anfragen, ob ihr fischen dürft.«

»Ich würfle nie«, entgegnete Kuno, traurig über die Verstocktheit seiner Brüder.

»Ja freilich«, lachte der Kleine Schalk, »er ist ja gar fromm und gottesfürchtig, der Herr Bruder, und hält das Würfelspiel für eine Todsünde. Aber ich will euch was anderes vorschlagen, woran sich der frömmste Klausner nicht schämen dürfte. Wir wollen uns Angelschnüre und Haken holen, und wer diesen Morgen, bis die Glocke in Zollern zwölf Uhr schlägt, die meisten Fische angelt, soll den Weiher eigen haben.«

»Ich bin eigentlich ein Tor«, sagte Kuno, »um das noch zu kämpfen, was mir mit Recht als Erbe zugehört. Aber damit ihr seht, daß es mir mit der Teilung ernst war, will ich mein Fischgerät holen.«

Sie ritten heim, jeder nach seinem Schloß. Die Zwillinge schickten in aller Eile ihre Diener aus, ließen alle alten Steine aufheben, um Würmer zur Lockspeise für die Fische im Teich zu finden; Kuno aber nahm sein gewöhnliches Angelzeug und die Speise, die ihn einst Frau Feldheimerin zubereiten gelehrt, und war der erste, der wieder auf dem Platz erschien. Er ließ, als die beiden Zwillinge kamen, diese die besten und bequemlichsten Stellen auswählen und warf dann selbst seine Angel aus.

Da war es, als ob die Fische in ihm den Herrn dieses Teiches erkannt hätten. Ganze Züge von Karpfen und Hechten zogen heran und wimmelten um seine Angeln. Die ältesten und größten drängten die kleinen weg; jeden Augenblick zog er einen heraus, und wenn er die Angeln wieder ins Wasser warf, sperrten schon zwanzig, dreißig die Mäuler auf, um anzubeißen.

Es hatte noch nicht zwei Stunden gedauert, so lag der Boden um ihn her voll der schönsten Fische. Da hörte er auf zu fischen und ging zu seinen Brüdern, um zu sehen, was für Geschäft sie machten. Der Kleine Schalk hatte einen kleinen Karpfen und zwei elende Weißfische; Wolf drei Barben und zwei kleine Gründlinge, und beide schauten trübselig in den Teich, denn sie konnten die ungeheure Menge, die Kuno gefangen, gar wohl von ihrem Platz aus bemerken.

Als Kuno an seinen Bruder Wolf herankam, sprang dieser halb wütend auf, zerriß die Angelschnur, brach die Rute in Stücke und warf sie in den Teich. »Ich wollte, es wären tausend Haken, die ich hineinwerfe, statt dem einen, und an jedem müßte eine von diesen Kreaturen zappeln!« rief er. »Aber mit rechten Dingen geht es nimmer zu; es ist Zauberspiel und Hexenwerk. Wie solltest du denn, Dummer Kuno, mehr Fische fangen in einer Stunde als ich in einem Jahr?«

»Ja, ja, jetzt erinnere ich mich«, fuhr der Kleine Schalk fort; »bei der Frau Feldheimerin, bei der schnöden Hexe, hat er das Fischen gelernt, und wir waren Toren, mit ihm zu fischen; er wird doch bald Hexenmeister werden.«

»Ihr schlechten Menschen!« entgegnete Kuno unmutig. »Diesen Morgen habe ich hinlänglich Zeit gehabt, euren Geiz, eure Unverschämtheit und eure Rohheit einzusehen. Geht jetzt und kommt nie wieder hierher, und glaubt mir, es wäre für

Seiten