Ungekürztes Werk "Minna von Barnhelm" von Gotthold Ephraim Lessing (Seite 4)

Schreibepulte vermutet hätte – –

V. TELLHEIM. Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie. – Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich, ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen. – –

DER WIRT. Aber, gnädiger Herr – –

V. TELLHEIM. Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause sage, was du tun sollst. – –

DER WIRT. Ich gehe ja schon, gnädiger Herr! – Mein ganzes Haus ist zu Ihren Diensten.

Vierter Auftritt

v. Tellheim. Just.

Just (der mit dem Fuße stampft und dem Wirte nachspuckt). Pfui!

v. Tellheim. Was gibt's?

JUST. Ich ersticke vor Bosheit.

V. TELLHEIM. Das wäre soviel als an Vollblütigkeit.

JUST. Und Sie – Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn – hätte ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen. –

v. Tellheim. Bestie!

JUST. Lieber Bestie als so ein Mensch!

V. TELLHEIM. Was willst du aber?

JUST. Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.

V. TELLHEIM. Und dann?

JUST. Daß Sie sich rächten. – Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering. –

V. TELLHEIM. Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, daß du eine Handvoll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene einem hinwerfen kannst. –

JUST. So? eine vortreffliche Rache! –

V. TELLHEIM. Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.

JUST. Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibpulte gefunden?

V. TELLHEIM. Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.

JUST. Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte?

V. TELLHEIM. Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?

JUST. Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung –

V. TELLHEIM. Wahrhaftig?

JUST. Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte –

V. TELLHEIM. Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre. – Ich bin dir sehr verbunden, Just. – Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein bißchen Armut mit mir zu teilen. – Es ist mir doch lieb, daß ich es erraten habe. – Höre, Just, mache mir zugleich auch deine Rechnung – wir sind geschiedene Leute. – –

JUST. Wie? was?

V. TELLHEIM. Kein Wort mehr; es kömmt jemand. –

Fünfter Auftritt

Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.

DIE DAME. Ich bitte um Verzeihung, mein Herr! –

V. TELLHEIM. Wen suchen Sie, Madame? –

DIE DAME. Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen. Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen Stabsrittmeisters –

V. TELLHEIM. Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung! –

DIE DAME. Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das

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