Ungekürztes Werk "Galgenlieder" von Christian Morgenstern (Seite 9)

blieb sein Reich? Wo blieb er selb? –

Sein Bein wird im Museum gelb.

Zwar gab die gütige Natur

den Elef – anten uns dafur.

Doch ach, der Pulverpavian,

der Mensch, voll Gier nach seinem Zahn,

erschießt ihn, statt ihm Zeit zu lassen,

zum Zehen – anten zu verblassen.

O ›Klub zum Schutz der wilden Tiere‹,

hilf, daß der Mensch nicht ruiniere

die Sprossen dieser Riesenleiter,

die stets noch weiter führt und weiter!

Wie dankbar wird der Ant dir sein,

läßt du ihn wachsen und gedeihn, –

bis er dereinst im Nebel hinten

als Nulel – ant wird stumm verschwinden.

Die Hystrix

Das hinterindische Stachelschwein

(hystrix grotei Gray),

das hinterindische Stachelschwein

aus Siam, das tut weh.

Entdeckst du wo im Walde drauß

bei Siam seine Spur,

dann tritt es manchmal, sagt man, aus

den Schranken der Natur.

Dann gibt sein Zorn ihm so Gewalt,

daß, eh du dich versiehst,

es seine Stacheln jung und alt

auf deinen Leib verschießt.

Von oben bis hinab sodann

stehst du gespickt am Baum,

ein heiliger Sebastian,

und traust den Augen kaum.

Die Hystrix aber geht hinweg,

an Leib und Seele wüst.

Sie sitzt im Dschungel im Versteck

und büßt.

file Nasobem

Die Probe

Zu einem seltsamen Versuch

erstand ich mir ein Nadelbuch.

Und zu dem Buch ein altes zwar,

doch äußerst kühnes Dromedar.

Ein Reicher auch daneben stand,

zween Säcke Gold in jeder Hand.

Der Reiche ging alsdann herfür

und klopfte an die Himmelstür.

Drauf Petrus sprach: »Geschrieben steht,

daß ein Kamel weit eher geht

durchs Nadelöhr als du, du Heid,

durch diese Türe groß und breit!«

Ich, glaubend fest an Gottes Wort,

ermunterte das Tier sofort,

ihm zeigend hinterm Nadelöhr

ein Zuckerhörnchen als Douceur.

Und in der Tat! Das Vieh ging durch,

obzwar sich quetschend wie ein Lurch!

Der Reiche aber sah ganz stier

und sagte nichts als: »Wehe mir!«

Im Jahre 19000

Die Ameisen oder Emsen

sind so weit jetzt, daß sie Gemsen

sich als Sklaven halten (aus

Gründen ihres Körperbaus).

Da sie selber sehr viel kleiner,

so bedienen sie sich einer

Gemse oder zweier Gemsen

zu Gebirgspartien, die Emsen.

Ist sodann ein Adlernest

abgesucht bis auf den Rest,

gehn sie endlich, zog der Weih

schon den Ameisbären bei,

wieder ihm aus Horst und Rock –

und besteigen ihren Bock,

der sie, wie ein Stein, der springt,

heim zu ihrem Hügel bringt.

Angepflöckt, so stehn die Gemsen

in der Nähe dort der Emsen,

bei den Läusen u.s.w.

und verwünschen ihre Reiter.

Die Schildkrökröte

»Ich bin nun tausend Jahre alt

und werde täglich älter;

der Gotenkönig Theobald

erzog mich im Behälter.

Seitdem ist mancherlei geschehn,

doch weiß ich nichts davon;

zur Zeit, da läßt für Geld mich sehn

ein Kaufmann zu Heilbronn.

Ich kenne nicht des Todes Bild

und nicht des Sterbens Nöte:

Ich bin die Schild – ich bin die Schild –

ich bin die Schild – krö – kröte.«

Der Gaul

Es läutet beim Professor Stein.

Die Köchin rupft die Hühner.

Die Minna geht: Wer kann das sein? –

  Ein Gaul steht vor der Türe.

Die Minna wirft die Türe zu.

Die Köchin kommt: Was gibts denn?

Das Fräulein kommt im Morgenschuh.

  Es kommt die ganze Familie.

»Ich bin, verzeihn Sie,« spricht der Gaul,

»der Gaul vom Tischler Bartels.

Ich brachte Ihnen dazumaul

  die Tür- und Fensterrahmen!«

Die vierzehn Leute samt dem Mops,

sie stehn, als ob sie träumten.

Das kleinste Kind tut einen Hops,

  die andern stehn wie Bäume.

Der Gaul, da keiner ihn versteht,

schnalzt bloß mal mit der Zunge,

dann kehrt er still sich ab und geht

  die Treppe wieder hinunter.

Die dreizehn schaun auf ihren Herrn,

ob er nicht sprechen möchte.

»Das war«, spricht der Professor Stein,

  »ein

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