Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 86)

verrichtete vor der Welt das Wunderwerk, daß er den Brunnenarzt mitzutrinken bat.

Längst schon hab er sich verwundert, hob er an, daß die Ärzte, ungeachtet des Sprichwortes (experimentum fiat in corp. vil.), so wenig Versuche an ihrem eignen Körper machten und nicht die verschiedenen Arten wenigstens der angenehmen Unmäßigkeiten durchgingen, um nachher besser zu verordnen. Ob sich nicht ein ganzes Collegium medicum so in die verschiedenen Unmäßigkeiten teilen könnte, daß z.B. das eine Mitglied sich aufs Saufen, das andere aufs Essen, das dritte aufs Denken legte, das vierte aufs sechste Gebot, davon oder von der Unnützlichkeit wünsche er doch einen Beweis zu vernehmen, und zwar um so mehr, da z.B. so viele glückliche Kuren der Aphroditen- oder Cypris-Seuche durch junge Ärzte in Residenzstädten bewiesen, daß ein solches Vorarbeiten und solche sich gelesene Selber-Privatissima der Praxis gar nicht schaden. – Er wolle nicht hoffen, daß man sich dabei ans Laster stoße, das hier ein Pestimpfstoff der Arzt ja nur, so wie der Schauspieler oder Dichter, an sich selber darstelle, um zu lehren und zu heilen.

»Ich weiß fast«, versetzte Strykius, der dasaß mit dem Ölblatt im Schnabel und, wie Buridans Esel, zwischen Ernst und Lächeln, »wohinaus Sie damit wollen.« – »Hinein will ich damit, mit dem Weine nämlich«, sagte der Doktor und eröffnete ihm ganz frei, er sei gesonnen, sich gegenwärtig vor seinen Augen zu betrinken, um den Effekt mit wissenschaftlichen ­Augen zu beobachten und jede Tatsache rein ausge­spelzt zurückzulegen für die Wissenschaft. »Es wird«, fuhr er fort, »meinen Handel gewiß nicht schlechter machen, daß ein Mann vom Fache, wie Sie, dabeisitzt, den ich bitten kann, von seiner Seite mehr die nüchternen Beobachtungen über mich anzustellen und deshalb langsamer als ich zu trinken, da es genug ist, wenn einer sich opfert. Spätere Folgen am nüchternen Morgen beobacht ich allein.« – »Wie gebeten, zugesagt!« versetzte der Arzt.

Darauf rückte der Doktor noch mit einer Bitte ganz leise heraus, Strykius möge, da seinen schwachen Kopf der Wein leicht so zurichte wie der verschluckte Traubenkern den Anakreon, in diesem Falle seinen Leib- und Seelenhirt, seinen Gesundheit- und Gewissen-Rat machen und besonders dann, wenn er, wie alle Trinker, am Ende anfangen sollte zu weinen, zu umhalsen, zu verschenken, ja, die größten Geheimnisse auszuplaudern, ihn warnen und lenken und notfalls mit Gewalt nach Hause ziehen, er geb ihm Vollmacht zu jeder Maßregel, mög er selber betrunken dagegen ausschlagen, wie er wollte.

Der Brunnenarzt sagte lächelnd, er versprech es für den undenklichen Fall, erwarte aber denselben Liebe-Dienst, falls er selber hineingeriete.

In der Tat ging bisher der Doktor mit Anschein genug zu Werke, – und Strykius fing an, aus den geleerten Flaschen schöne Hoffnung Katzenbergischer Ehrlichkeit zu schöpfen; doch war es mehr Trug; denn jenem, der sich längst als einen ehemaligen (wie Pitt in London) sogenannten Sechs-Flaschen-Mann gekannt, blieb das schöne Bewußtsein, daß er bei allem Trinken nicht auf den Fußstapfen der Griechen wanke, welche bekanntlich den Rachegöttinnen nur nüchtern opferten und deshalb keinen Wein vor ihnen libierten oder weggossen.

Jetzo berührt' er wieder von weitem den Rezensenten und sagte, er sei im

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