Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 87)

Bademonat bloß nach Maulbronn, wie die Juden zum Ostermonat nach Jerusalem, gegangen, um das kritische Passahlamm oder den Passahsündenbock zu schlachten und zu genießen; noch aber fehle der Bock, und käm er an, so sei doch manches anders, als ers haben möchte. Strykius konnte nicht anders, als er mußte stutzen. Bei der dritten Flasche oder Station hielt es der Doktor für seinen Schein zuträglich, ein wenig mit seinem Verständigsein nachzulassen und mehr ins Auffallende zu fallen; überhaupt mehr den Mann zu zeigen, der nicht weiß, was er will. »Noch gehts gut, Herr Kollege«, sagt' er, »doch sieht man, was der Mensch verträgt. Ich wäre jetzt imstande, jedem, der wollte unangenehme Dinge mit einer solchen juristischen Kautelarjurisprudenz zu sagen, daß der Mann an keine Injurienklage denken dürfte. Es böte mir z.B. eine vornehme Residenz-Frau ihr Herz und Hand, so könnt ich, da es, nach Quistorp*, für Kleinigkleiten einen recht hämischen Dank zu sagen, keinen animus injuriandi, Schimpf, oder Schmäh-Willen verrät, der trefflichen Dame ins Gesicht versichern: ›Gut! Ich nehme noch dies an; aber nun beschämen Sie mich mit keinen größern Geschenken, da ich noch einmal Ihre Kleinigkeiten zu vergelten vermocht.‹ – Dies könnt ich.

So weiß ich aus demselben Quistorp die andere Einschränkung, daß man nie beschimpfe, wenn man bloß die Sachen seines Neben- und Mitmenschen (nicht ihn) verächtlich heruntersetzt, als etwan seinen Anzug, seine Gastmähler usw. Ich würde also mit Vorbedacht, da doch am Menschen alles nur fremde Sachen ist, außer seiner Moralität, die er sich, wie der preußische Soldat die Knöpfe, auf eigne Kosten anschaffen muß, ohne Ehrenklage im höchsten Grade anzüglich und geringschätzig z.B. von den schwachen Talenten oder Gesichtzügen eines Rezensenten sprechen, beides Sachen, die der Tropf sich nicht geben kann; ebenso wollt ich auf viele deutsche Kronen und Thronen (ein schöner weiblicher Reim) losziehen, ohne die Besitzer, die ja beides teils halb auf, teils unter sich haben, im geringsten zu meinen. Doch ich kehre zu meinem Satze zurück – beiläufig ein ganz gutes Zeichen, denn Trunkne können, wie Verrückte, nie dieselbe Sache unverändert wiederholen und stehen hier unter Autoren und Advokaten. – Und Rechtwissenschaft ist nicht einmal mein Fach – (doch trinken wir recht auf sie!); aber Heilkunde bleibt es stets. Wie gesagt, ich sagte vorhin von Injurien und der­gleichen. Wo finden Sie hier, Herr Doktor, den Vollzapf?«

Strykius beschwor nach allen Seiten hin das Widerspiel. »Dies sag ich, beim Teufel, ja selber«, versetzte der Doktor, »– und wozu denn Ihr Fluchen? Ich denke, ich kenne mich und viele. Manches bringt mich auf, darüber ist keine Frage. Nur wünscht ich zu wissen, ob jemand von der trefflichen, nie hoch genug zu achtenden Gesellschaft um uns her etwas an mir merke; aber freilich Fox und Pitt konnten nur halb so viel vertragen.

Mein lieber Herr Brunnenarzt, Sie brauchen, bei Gott, nicht zu lächeln, als läg ich schon in den Lagen, für welche ich Ihre Vormundschaft bestellte. Sie sehen, ich weiß noch alles. Hab ich aber ein Geheimnis verraten? Seh ich irgendeinen Kopf doppelt? Kaum einfach. – Verschenk ich schon außer

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