Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 94)

Ferner hatt er den zweiten Gedanken, bei sich anzustehen, ob er überhaupt einen ihm mit dem Pistol auf der Brust abgenötigten Eid und Widerruf nur wirklich zu halten habe. Da platzte auf dem Ofen eine Knallkugel, und sein Gewissen, von dieser Krachmandel gestärkt, sagte: »Nein, halte deinen Eid und nimm dir nur die Zeit; denn nach zwanzig Jahren kannst du ebensogut widerrufen, wenn du nicht stirbst, als morgen.«

Fünfundvierzigste Summula

Ende der Reisen und Nöten

Die sechs Finger und acht Hasenbeine waren so erquickende Zuckerröhre, an denen Katzenberger unterwegs saugte, daß er nach dem Unfall wenig fragte, sowohl die Abrechnung der Reisekosten mit Nießen vergessen zu haben als das Aufheben des weggeworfenen Windpistols bei Stryk. Das letzte sollten ihm, beschloß er, ein paar höfliche Zeilen nachholen. Er ließ galoppieren, um noch vor Untergang des Mars über das großpoleiische Grenzwappen hinauszufahren. Dann stieg er in Fugnitz aus und genoß bei Licht seine Mißgeburten ruhiger.

Nach einem kräftigen Extrakt von kurzem Schlaf flog er der Tochter nach und durch das Städtchen Huhl mit gezognem Giftpfeil vor dem Hause des Pharmazeutikus vorbei. Dieser stand eben unter der pharmazeutischen Glastüre und unter der Wappen-Schlange seiner Offizin neben dem Orts-Physikus und zeigte diesem ohne Hutabziehen und sonstige Gruß-Schüsse mit ausgestrecktem Arme den Giftmischer und Hasendieb.

Erst spät, bei Licht-Anzünden, kam er zu Hause an. Er hörte, Theoda, die schon vormittags angelangt, sei bei ihrer Freundin. Halb verdrießlich machte er sich nach Mehlhorns Wohnung im Erdgeschosse auf, welches für ihn den Vorteil hatte, da es abends durch Fensterladen verschlossen war, daß man ungesehen durch sie hineinsehen konnte.

Katzenberger war ein Mann von vielen Grundsätzen, worunter er einen hatte, den zarten Seelen, welche die menschliche, von keiner sichtbaren Gegenwart gemilderte Schärfe der Urteile über taube Abwesende schwer ertragen, ihm nicht so leicht nachbefolgen konnten, nämlich den, zu – horchen und zu luken. Darum erklärte er besonders Fensterläden der Erdgeschosse für die besten Operngucker und Hörmaschinen, die er nur kenne, und sagte, solche Läden schlössen etwas wohl dem Räuber, aber nichts dem Herzen zu – und man schaue nie ruhiger und schärfer in Haushaltungen als durch zarte Ritzen, entweder in einen offnen Himmel oder offnen Schaden, und er wisse dieses aperturae jus oder diese servitus luminum et prospectus, kurz, diese Licht-Anstalt mit nichts zu vergleichen als mit Totenbeschau und Leichenöffnung; nie sei er von solchen Fensterläden weggegangen, ohne irgendeinen Gewinn davonzutragen, entweder eines Schmähwortes auf ihn oder sonst einer Offenherzigkeit.

Durch den Fensterladen sah er nun mit Erstaunen die Wöchnerin Bona im Bette und in ihren Händen zwei fremde Hände, die sie aufeinander drückte, Theodas und Theudobachs, indem sie ihr klares, obwohl mattes Auge mit so viel Entzückung und Teilnahme zu den beiden Liebenden aufhob, als sie ihrem Zustand erlauben durfte. – Er sah ferner, wie der Umgelder mit (geborgten) Weingläsern und mit (bezahltem) Weine ohne Anstand, aber lebhaft umhersprang und den Aufguß seiner eignen Begeisterung einer himmlischern vorhielt und anbot, sogar der neuen Kindbetterin, welche indes mitten in der ihrigen genug Bedachtsamkeit besaß, diesen bösen Honigtau des Wochenbettes auszuschlagen. Er vernahm sogar,

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