Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 93)

Zufall öffnete plötzlich dem Brunnenarzt einen Himmel und eine Aussicht: »Ich besitze hier«, sagt' er, »im Kabinett aus dem Fraisch-Archiv eine alte abgedürrte Hand, zwar keine ausnehmende Mißgeburt, aber es ist doch eine Hand mit sechs Fingern, die nicht jeder am Arme hat.«

»Si bon – Ganzer Mann! Schatz, gebt mir die Hand, nicht Euere – so geh ich ab und schone jeden Hund.« – Während Strykius die Sechsfingerhand, als einen Reichsabschied gegen das Faustrecht, aus dem Kasten holte, säete Katzenberger hinter dessen gebognem Rücken mehre Knallkügelchen auf verschiedne erwärmte Plätze des Ofens und legte nicht sowohl Feuer als Donner ein, um auch in seiner Abwesenheit das Strykische Gewissen nachts oder sonst mehrmals fürchterlich zu wecken durch Lärmkanonen, Notschüsse, Türkenglocken oder andere Metaphern. Während der Donnersaat sprach er fort und sagte ins Kabinett hinaus: »Ich bin aber heute so weich wie ein Kind; das macht der Trunk. Darwin bemerkt schon längst, daß sich den Säufern die Leber, folglich die Galle verstopfe, daher ihre Gallensteine und Gelbsuchten.«

Strykius brachte die eingeräucherte Hand, wogegen Esaus und van Dycks Hände dem Doktor nur als invalide oder defekte erschienen. Nachdem er den Plus-Finger genau daran besehen, mußte sich ihm jener selber in die Tasche stecken, damit er in der gerüsteten Stellung verbliebe. Freundlich und ganz verändert bat er, ihm ein Fläschchen mit Tee mitzugeben, um es ruhiger im Wagen zu trinken. »Nach der Schenkung der fremden Hand verzicht ich gern auf jeden lebendigen Handdruck; Eure Kußhand in meiner Tasche hat alles ins reine und uns einander näher gebracht, und wir lieben uns, so gut wir können. Nur bitt ich Euch noch, mir die Stockscheide, womit ich vorher in die Scheibe des Knies getroffen, selber an den Giftpfeil anzustoßen, weil ich mich aus Mißtrauen nicht bücke, Schatz!«

Als Stryk etwas ängstlich die obere Hälfte des Hakenstocks an die untere angeschienet hatte, händigte Katzenberger mit dem Gemsenhorn noch schleunig einen beträchtlichen Schlag den Schreibknöcheln des Mannes ein – es sollte ein Siegel auf die Bundakte sein – und sagte: »Nur ein Katzenpfötchen und Handschlag für den in der Höhle, addio!« Er eilte die Treppe hinunter und in den Wagen hinein, um schnell über die Grenze des Hauses und Landes zu kommen. Noch im Dorfe begegnete ihm Stryks Bedienter, dem er neuen Dank an seinen Herrn mitgab, und vor dem er fahrend die Gesundheit desselben in Tee trank. Frohlockend fuhr er mit dem Reichtum von sechs Fingern und von zwei Alliance-Hasen im Geleise des Himmelweges seiner Tochter nach. Strykius sang zu Hause Dankpsalmen an seine Geschicklichkeit und an das Geschick, daß er sich durch eine tote Hand aus einer lebendigen gerettet, und machte singend die Beinkleider und dann die Haustüre zu; erst da er die letzte dem Bedienten wieder öffnete, stimmte er Krieglieder und Wettergebete gegen dessen ungeheures Außenbleiben an und gegen den Räuber von Doktor. Sein erster Gedanke war, diesem in einer ganz neuen Zeitung durch die zehnte Hand statt einer Benefiz- lieber ein Malefizkomödie zu geben und ihn zu einem Mitgliede in die Unehren-Legion der erbärmlichen Autoren aufzunehmen.

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