Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 95)

daß der Zoller ein Wagstück mit seiner Zunge bestand und sagte: Gnädigster Herr Gevatter, aufs hohe Wohl unseres Paten!« – Von dem Nachmittag und der vorigen Nacht war also (sah er durch die Spalten) das Pfund jeder Stunde gewissenhaft benutzt und auf Zinsen der Liebe angelegt. Nie sah die blasse, hellblau-augige Bona verklärter und durchsichtiger aus als in dieser Stunde des Mit-Entzückens, aber ihre Verklärung verschönerte auch die fremde; denn ein liebendes Paar erscheint zärter und himmlischer durch den Widerschein einer teilnehmenden Freude.

Jetzt hörte der Doktor den Zoller ausrufen: »Ich gäbe meine Hand darum, wären der Herr Doktor Gevatter da; meine scharmanten Brautleute wären aufgeräumter und stießen an.« – Der Zoller hatte, als ein Mann, der wenig anders noch in der Welt scharf beobachtet hatte als Zoll und Umgeld, aus Theodas Bleich- und Ernst-Sinn den Schluß gezogen, sie bange vor des Vaters Entscheidung; wiewohl die heitere Rose bloß vor der heißen Sonne der Liebe und Entzückung zur weißen erblaßte. Der tiefe Ernst der Liebe griff ihr ganzes munteres Wesen an. Der Hauptmann, schon von Natur und Wissenschaft ernst, war durch die plötzliche unberechnete Lohe der Liebe nur noch ernster geworden; denn sonst irgendeine äußere Störung (Perturbation) seines Liebe-Hesperus durch den Vater Saturn oder Mars kam ihm bei seiner mathematischen Hartnäckigkeit und kriegerischen Entschlossenheit gar nicht in Betracht, ja wenig in Sinn. Mehlhorn fuhr fort: »Ich setze meine Ehre zum Pfande, die Sache geht.« Vergeblich winkte ihm Bona. »Ich weiß sehr gut«, sagt' er, »was ich sagen will; ich kenne meinen teuersten Herrn Gevatter Doktor so gut als euch selber, und vermachen ihm Dieselben auf Ihrem herrlichen Rittergut Ihre ganze Höhle voll Bärenknochen zum Ausleeren: so weiß ich, was ich weiß.«

Der Doktor ärgerte sich am Fensterladen, daß Mehlhorn bei Kräften sein wollte und keck – denn derselbe Liebhaber aller Kraft-Menschen wird doch verdrießlich über einen Schwächling, welcher plötzlich, wenn auch nur im Trunk-Mut, etwas vorstellen und dadurch das Verhältnis der Unterordnung schwächen will –; doch sagte zu sich der Doktor: »Übrigens ists gut, und ich bin Herrn Theudobachs gehorsamer Diener und Schwiegervater, wenn es mit der Höhle richtig ist.«

Der Doktor trat gelassen ins Zimmer und sah jeden unverlegen an. Die verschiedenen Konzertisten der harmonischen Liebe mußten gegen den eintretenden Taktschläger sich in angemessenen Spielen der Harmonie darstellen. Die Tochter hatt es am leichtesten, sie hatte einen Vater zu empfangen und zu küssen. – Auch der Zoller unternahm, bei so viel Wein im Kopf, mit Erfolg die schwersten Umhalsungen. Nur der Schwiegersohn, Theudobach, begab sich gegen Katzenberger, der ohnehin mit lauter Winterseiten besetzt war, mit Anstrengung in das gewöhnliche krause Höflichkeit-Gefecht zwischen kühlen Schwiegervätern und heißen Schwiegersöhnen. Je feuriger und reifer der Doktor das Ja im Herzen hatte, desto fester verkorkte er es darin; schon auch darum, um dem ergötzenden Ringel-Frontanze um sein Vaterherz herum zuzusehen. Bona durchblickte sogleich die Ineinanderwirrung; der nun trocknere Hauptmann, der neben dem Alten die Hand der Tochter nicht fortbehalten konnte, schien ihr Anstalt zum Abzuge in sein Quartier im Sinne zu haben, um sich aus demselben

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