Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 92)

zog der Doktor den Widerruf hervor und sagte, wenn er ihn beschwöre und unterschreibe, so woll er ihm das Leben selber schenken und ihn nur an den Gliedern, wo er es für gut befinde, mit dem Stab-Sanft bestreifen. Strykius schwur und schrieb. Darauf begehrte der Doktor, daß ers auswendig vor ihm lerne, weil er selber das Dokument wieder zu sich stecken müsse. Der Arzt predigte den Aufsatz endlich auswendig (der Hosensack war seine Kanzel) her. »Gut!« sagte Katzenberger. »Nun haben wir beide nichts Wichtiges weiter miteinander abzumachen, als kollegialisch zu überlegen, welches von den Gliedmaßen ich denn vor dem Einsitzen zu zerschlagen habe; wir haben die Wahl. Wir könnten die Nase nehmen und solche breitschlagen; teils weil du auf meine grobe, knollige, kurze Fuhrmanns-Nase etwas heruntersiehst, teils weil, nach Lavater, sich unter allen Gliedern die Nase am wenigstens verstellen kann und du also bei deiner Vermummerei Gott und mir danken wirst, wenn du ein aufrichtiges Glied weniger hast. – Wir könnten aber auch zum Kopfe greifen, womit oder worin du besonders gesündigt und rezensiert, und ich könnte, da er noch nicht offen genug scheint, wenigstens die sieben Sinnenlöcher, die der Vorderkopf hat, auch dem Hinterkopf durch den Natur-Trepan eines sogenannten Stocks einoperieren. – Oder vor und von der Hand könnten so viele Finger, als leider rezeptieren und rezensieren, bequem dezimiert werden. – Oder ich könnte auch das Pistol an deine Wade halten und sie durchschießen, um aus der Hämatose zu sehen, ob sie eine falsche sei. – Die Auslese wird schwer, du hast verdammt viel Glieder, und ich glaube, geradesoviel, als Pestalozzi in seinem ›Buch der Mütter‹ aufzählt. – Oder wählt man am besten das Ganze, die dreihäutige Oberfläche, und zeigt man sich dir mehr von der liebenden Seite, wenn ich eben auf dich, als meinen Nachfolger, be­eidigten Priester und Lehrboten, geradeso, wie der Franziskus und andere Heilige die Wundenmäler von ihrem erscheinenden Herrn bekamen, alle die blauen und braunen und gelben Flecken, womit mich in mehr als einer Prügel-Disputa mancher Raffael angemalt, gleichsam als stigmata übertrage und abfärbe, um unsere Vereinigung zu zeigen? – Nun, so stimme doch mit über das Glied, sage, welches!« –

– »Mein Herz«, versetzte er. – »So vertraut spricht man nicht mit mir«, sagte Katzenberger. – »Meines mein ich ja«, sagte Stryk.

»In dies Glied mögen die Weiber ihre dummen Wunden machen! Herr, hier liegt Euer dummer Dachsschliefer, der niemand anbellt und anwedelt; das unnütze Vieh sollt Ihr mir, wenn ich unter den wählbaren Gliedmaßen etwas naschen soll, zum Zerschneiden mitgeben und vorher vor meinen Augen erdrosseln, da ich die Bestie sonst nicht fortbringe!« – »Er ist«, sagte der Arzt, »nur so still, weil er vor Alter keine fünf Sinne mehr hat; erdrosseln kann ich das treue Tier unmöglich, aber hergeben will ich ihn, da er doch bald abgeht.«

Hier hob er den leben- und schlaftrunknen Dachsschliefer auf und gab ihm den Judas- und den Todeskuß. »Behalt ihn, unwissenschaftlicher Narr!« rief der Doktor; »eh ich ein veraltetes Vieh, lieber meine zehn Finger gäb ich her!« – Dieser

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