Ungekürztes Werk "Dr. Katzenbergers Badereise" von Jean Paul (Seite 91)

Doktor auf einmal in der Stube so weit, als er nach andern Planen kaum in einer Woche sein konnte. Er zog daher einen Taschen-Wind-Puffer heraus, schoß die Kugel in die Wand – zog und spannte einen zweiten und sagte: »Ein lautes Wort von dir, so schieß ich dich leise nieder, und ich fahre davon. Du bist mein Rezensent, Dieb, nicht der ehrliche, gelehrte Semmelmann – und ich bin noch nüchterner als du, Saufaus. Schweig; ein Wort, ein Schuß! Es macht mich schon dein bloßes Waschschwamm-Gesicht mit seinen schlappen Vorderbacken und seinem Gelächel halb wütig. Ein Straf­exempel muß ich nun an dir zum Vorteil der ganzen gelehrten Welt diese Nacht statuieren; nur steh ich noch an, ob ich dich ganz aufreibe oder bloß lahmschlage oder gar nur ins Gesicht mehrmals streiche. Hier schleudr ich noch zum Überfluß den Hakenstock von dem Giftpfeil auf deinen Nabel ab (der Stock fuhr aber ans Knie) – sieh den ausländischen Pfeil, womit ich dich harpuniere auf ewig, wenn du schreiest oder läufst. Jetzt verantworte dich leise, nenne mich aber Sie, denn ich bin der Richter und du der Inquisit.«

»In der Tat«, hob der Brunnenarzt an, »es wird mir schwer, nach vielen heutigen geschickten scherzhaften Rollen von Ihnen – und insofern so angenehmen – diese mit einem Überfall auf Leib und Leben nicht für Scherz zu nehmen, besonders da Sie ja nicht ganz gewiß wissen können, ob ich die Rezensionen gemacht.«

»Hier werf ich dir«, sagte der Doktor, in die Tasche fahrend, und nahm das Heft des Pfeils in den Mund, um mit dem Windpistol fortzuzielen, »deine Handschrift aus der Druckerei vor die Füße, Räuber zu Fuß.«

»Gut, dies entschuldigt Ihre erste Hitze gewiß; aber erwägen Sie auch, daß überall von jeher der Gelehrte, besonders der Kunstrichter, gegen den Gelehrten zum Vorteile der Wissenschaft auf dem Papier eine freie Sprache führt, die er sich nie im Zimmer unter vier Augen ...«

»Zum Wissenschaft-Vorteil? – Ist es nicht jammerschade, daß Leute wie du auch nur das geringste davon verstehen? Können solche Leute unwissend genug sein? Die Wissenschaft ist etwas so Großes als die Religion – für jene sollte man ebensogut Mut und Blut daransetzen als für diese – und doch wagen die Rezensenten nicht einmal ihre Namens-Unterschrift daran. Eine Sünde pflanzt sich nicht fort; und jeder Sünder erkennt sie an; ein unterstützter Irrtum kann ein Jahrhundert verfinstern. Wer sich der Wissenschaft weiht, besonders als Lehrer der Leser, muß ihr entweder sich und alles und jede Laune, sogar seinen Nachruhm opfern –«

»Wie schön gesagt und gedacht!« lispelte Strykius. – »Schweig! – oder er ist ein Rezensent wie du; und der Teufel hole jeden Esel, der schreibt, und den er reitet; es ist genug, wenn das Tier spricht. Mache mir jetzt etwas Tee zurecht, denn das Wasser kocht; schneide aber deine Hosenknöpfe ab, damit du mir nicht entläufst.«

»Lieber mein Leben laß ich als meine Ehre«, sagte Stryk; »bloß aufknöpfen will ich den Hosensack und herunterlassen; und es tut ja der Länge wegen denselben Dienst ...«

Während er im Hemd mühsam das Teewasser aufgoß:

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