Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 27)

ist’s, eingewiegt zu werden in den Schlaf des Todes von dem Gesang des Geliebten – vielleicht träumt man auch im Grabe noch fort – ein langer, ewiger, unendlicher Traum von Karln, bis man die Glocke der Auferstehung läutet – (aufspringend, entzückt) und von itzt an in seinen Armen auf ewig. (Pause. Sie geht ans Klavier und spielt.)

Willst dich, Hektor, ewig mir entreißen,

Wo des Äaciden mordend Eisen

Dem Patroklus schrecklich Opfer bringt?

Wer wird künftig deinen Kleinen lehren

Speere werfen und die Götter ehren,

Wenn hinunter dich der Xanthus schlingt?

 

Der Alte Moor. Ein schönes Lied, meine Tochter. Das mußt du mir vorspielen, eh ich sterbe.

Amalia. Es ist der Abschied Andromaches und Hektors – Karl und ich haben’s oft zusammen zu der Laute gesungen. (Spielt fort.)

Teures Weib, geh, hol die Todeslanze,

Laß mich fort zum wilden Kriegestanze!

Meine Schultern tragen Ilium.

Über Astyanax unsre Götter!

Hektor fällt, ein Vaterlandserretter,

Und wir sehn uns wieder in Elysium.

 

Daniel.

 

Daniel. Es wartet draußen ein Mann auf Euch. Er bittet, vorgelassen zu werden, er hab Euch eine wichtige Zeitung.

Der Alte Moor. Mir ist auf der Welt nur etwas wichtig, du weißt’s, Amalia. – Ist’s ein Unglücklicher, der meiner Hilfe bedarf? Er soll nicht mit Seufzen von hinnen gehn.

Amalia. Ist’s ein Bettler, er soll eilig heraufkommen.

Daniel ab.

Der Alte Moor. Amalia, Amalia! schone meiner!

Amalia (spielt fort).

Nimmer lausch ich deiner Waffen Schalle,

Einsam liegt dein Eisen in der Halle,

Priams großer Heldenstamm verdirbt!

Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet,

Der Cocytus durch die Wüsten weinet,

Deine Liebe in dem Lethe stirbt.

 

All mein Sehnen, all mein Denken

Soll der schwarze Lethefluß ertränken,

Aber meine Liebe nicht!

Horch! der Wilde rast schon an den Mauern –

Gürte mir das Schwert um, laß das Trauern!

Hektors Liebe stirbt im Lethe nicht.

 

Franz. Hermann, verkappt. Daniel.

 

Franz. Hier ist der Mann. Schröckliche Botschaften, sagt er, warten auf Euch. Könnt Ihr sie hören?

Der Alte Moor. Ich kenne nur eine. Tritt her, mein Freund, und schone mein nicht! Reicht ihm einen Becher Wein!

Hermann (mit veränderter Stimme). Gnädiger Herr, laßt es einen armen Mann nicht entgelten, wenn er wider Willen Euer Herz durchbohrt. Ich bin ein Fremdling in diesem Lande, aber Euch kenn ich sehr gut, Ihr seid der Vater Karls von Moor.

Der Alte Moor. Woher weißt du das?

Hermann. Ich kannte Euren Sohn –

Amalia (auffahrend). Er lebt? lebt? Du kennst ihn? Wo ist er, wo, wo? (Will hinwegrennen.)

Der Alte Moor. Du weißt von meinem Sohn?

Hermann. Er studierte in Leipzig. Von da zog er, ich weiß nicht wie weit, herum. Er durchschwärmte Deutschland in die Runde, und, wie er mir sagte, mit unbedecktem Haupt, barfuß, und erbettelte sein Brot vor den Türen. Fünf Monate drauf brach der leidige Krieg zwischen Preußen und Österreich wieder aus, und da er auf der Welt nichts mehr zu hoffen hatte, zog ihn der Hall von Friedrichs siegreicher Trommel nach Böhmen. ›Erlaubt mir‹, sagte er zum großen Schwerin, ›daß ich den Tod sterbe auf dem

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