Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 28)
Bette der Helden, ich hab keinen Vater mehr!‹ –
Der Alte Moor. Sieh mich nicht an, Amalia!
Hermann. Man gab ihm eine Fahne. Er flog den preußischen Siegesflug mit. Wir kamen zusammen unter ein Zelt zu liegen. Er sprach viel von seinem alten Vater und von bessern, vergangenen Tagen – und von vereitelten Hoffnungen – uns standen die Tränen in den Augen.
Der Alte Moor (verhüllt sein Haupt in das Kissen). Stille, o stille!
Hermann. Acht Tage drauf war das heiße Treffen bei Prag, – ich darf Euch sagen, Euer Sohn hat sich gehalten wie ein wackerer Kriegsmann. Er tat Wunder vor den Augen der Armee. Fünf Regimenter mußten neben ihm wechseln, er stand. Feuerkugeln fielen rechts und links, Euer Sohn stand. Eine Kugel zerschmetterte ihm die rechte Hand, Euer Sohn nahm die Fahne in die linke und stand –
Amalia (in Entzückung). Hektor, Hektor! hört Ihr’s? er stand –
Hermann. Ich traf ihn am Abend der Schlacht, niedergesunken unter Kugelgepfeife, mit der Linken hielt er das stürzende Blut, die Rechte hatte er in die Erde gegraben. ›Bruder!‹ rief er mir entgegen, ›es lief ein Gemurmel durch die Glieder, der General sei vor einer Stunde gefallen.‹ – Er ist gefallen, sagt ich, und du? – ›Nun, wer ein braver Soldat ist‹, rief er und ließ die linke Hand los, ›der folge seinem General, wie ich!‹ Bald darauf hauchte er seine große Seele dem Helden zu.
Franz (wild auf Hermann losgehend). Daß der Tod deine verfluchte Zunge versiegle! Bist du hieher kommen, unserem Vater den Todesstoß zu geben? – Vater! Amalia! Vater!
Hermann. Es war der letzte Wille meines sterbenden Kameraden. ›Nimm dies Schwert‹, röchelte er, ›du wirst’s meinem alten Vater überliefern; das Blut seines Sohnes klebt daran; er ist gerochen, er mag sich weiden. Sag ihm, sein Fluch hätte mich gejagt in Kampf und Tod, ich sei gefallen in Verzweiflung!‹ Sein letzter Seufzer war Amalia.
Amalia (wie aus einem Todesschlummer aufgejagt). Sein letzter Seufzer – Amalia!
Der Alte Moor (gräßlich schreiend, sich die Haare ausraufend). Mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!
Franz (umherirrend im Zimmer). O! Was habt Ihr gemacht, Vater? Mein Karl, mein Bruder!
Hermann. Hier ist das Schwert, und hier ist auch ein Porträt, das er zu gleicher Zeit aus dem Busen zog! Es gleicht diesem Fräulein auf ein Haar. Dies soll meinem Bruder Franz, sagte er, – ich weiß nicht, was er damit sagen wollte.
Franz (wie erstaunt). Mir? Amalias Porträt? Mir, Karl, Amalia? Mir?
AMALIA (heftig auf Hermann losgehend). Feiler, bestochener Betrüger! (Faßt ihn hart an.)
Hermann. Das bin ich nicht, gnädiges Fräulein! Sehet selbst, ob’s nicht Euer Bild ist – Ihr mögt’s ihm wohl selbst gegeben haben.
Franz. Bei Gott! Amalia, das deine! Es ist wahrlich das deine!
AMALIA (gibt ihm das Bild zurück). Mein, mein! O Himmel und Erde!
Der Alte Moor (schreiend, sein Gesicht zerfleischend). Wehe, Wehe! Mein Fluch ihn gejagt in den Tod! gefallen in Verzweiflung!
Franz. Und er gedachte meiner in der letzten schweren Stunde des Scheidens, meiner! Englische Seele – da schon das schwarze Panier des Todes über ihm rauschte – meiner! –
Der Alte Moor