Ungekürztes Werk "Die Räuber" von Friedrich Schiller (Seite 47)

von meiner Seele, eh er sie zur Hölle drückt. (Wirft sich vor ihr nieder.) Vergebung! Vergebung! Ich hab Euch sehr beleidigt, Fräulein Amalia!

Amalia. Steh auf! Geh! Ich will nichts wissen. (Will fort.)

Hermann (der sie zurückhält). Nein! Bleibt! Bei Gott! Bei dem ewigen Gott! Ihr sollt alles wissen!

Amalia. Keinen Laut weiter – Ich vergebe dir – Ziehe heim in Frieden! (Will hinwegeilen.)

Hermann. So höret nur ein einziges Wort – es wird Euch all Eure Ruhe wiedergeben.

Amalia (kommt zurück und blickt ihn verwundernd an). Wie, Freund? – Wer im Himmel und auf Erden kann mir meine Ruhe wiedergeben?

Hermann. Das kann von meinen Lippen ein einziges Wort. – Höret mich an!

Amalia (mit Mitleiden seine Hand ergreifend). Guter Mensch – kann ein Wort von deinen Lippen die Riegel der Ewigkeit aufreißen?

Hermann (steht auf). Karl lebt noch!

Amalia (schreiend). Unglücklicher!

Hermann. Nicht anders. – Nun noch ein Wort – Euer Oheim –

Amalia (gegen ihn herstürzend). Du lügst –

Hermann. Euer Oheim –

Amalia. Karl lebt noch?

Hermann. Und euer Oheim –

Amalia. Karl lebt noch?

Hermann. Auch euer Oheim – Verratet mich nicht! (Eilt hinaus.)

Amalia (steht lang wie versteinert. Dann fährt sie wild auf, eilt ihm nach.) Karl lebt noch!

Zweite Szene

Gegend an der Donau.

Die Räuber, gelagert auf einer Anhöhe unter Bäumen, die Pferde weiden am Hügel hinunter.

Moor. Hier muß ich liegen bleiben (Wirft sich auf die Erde.) Meine Glieder wie abgeschlagen. Meine Zunge trocken, wie eine Scherbe. (Schweizer verliert sich unvermerkt.) Ich wollt euch bitten, mir eine Handvoll Wassers aus diesem Strome zu holen; aber ihr seid alle matt bis in den Tod.

Schwarz. Auch ist der Wein all’ in unsern Schläuchen.

Moor. Seht doch, wie schön das Getreide steht! – Die Bäume brechen fast unter ihrem Segen. – Der Weinstock voll Hoffnung.

Grimm. Es gibt ein fruchtbares Jahr.

Moor. Meinst du? – Und so würde doch ein Schweiß in der Welt bezahlt. Einer? – – Aber es kann ja über Nacht ein Hagel fallen und alles zugrund schlagen.

Schwarz. Das ist leicht möglich. Es kann alles zugrund gehen, wenig Stunden vorm Schneiden.

Moor. Das sag ich ja. Es wird alles zugrund gehn. Warum soll dem Menschen das gelingen, was er von der Ameise hat, wenn ihm das fehlschlägt, was ihn den Göttern gleich macht? – Oder ist hier die Mark seiner Bestimmung?

Schwarz. Ich kenne sie nicht.

Moor. Du hast gut gesagt und noch besser getan, wenn du sie nie zu kennen verlangtest! – Bruder – ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte – ihre Götterplane und ihre Mäusegeschäfte, das wunderseltsame Wettrennen nach Glückseligkeit. – Dieser dem Schwung seines Rosses anvertraut – ein anderer der Nase seines Esels – ein Dritter seinen eigenen Beinen; dieses bunte Lotto des Lebens, worein so mancher seine Unschuld und – seinen Himmel setzt, einen Treffer zu haschen, und – Nullen sind der Auszug – am Ende war kein Treffer darin. Es ist ein Schauspiel, Bruder, das Tränen in deine Augen lockt, wenn es dein Zwerchfell zum Gelächter kitzelt.

Schwarz. Wie herrlich die Sonne dort untergeht!

Moor (in den Anblick verschwimmend). So stirbt ein Held! – Anbetungswürdig!

Grimm. Du scheinst tief

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