Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 11)

Streitaxt schwingen? Jedem Wesen ward

Ein Notgewehr in der Verzweiflungsangst,

Es stellt sich der erschöpfte Hirsch und zeigt

Der Meute sein gefürchtetes Geweih,

Die Gemse reißt den Jäger in den Abgrund –

Der Pflugstier selbst, der sanfte Hausgenoß

Des Menschen, der die ungeheure Kraft

Des Halses duldsam unters Joch gebogen,

Springt auf, gereizt, wetzt sein gewaltig Horn,

Und schleudert seinen Feind den Wolken zu.

WALTHER FÜRST:

Wenn die drei Lande dächten wie wir drei,

So möchten wir vielleicht etwas vermögen.

STAUFFACHER:

Wenn Uri ruft, wenn Unterwalden hilft,

Der Schwyzer wird die alten Bünde ehren.

MELCHTAL:

Groß ist in Unterwalden meine Freundschaft,

Und jeder wagt mit Freuden Leib und Blut,

Wenn er am andern einen Rücken hat

Und Schirm – O fromme Väter dieses Landes!

Ich stehe nur ein Jüngling zwischen euch,

Den Vielerfahrnen – meine Stimme muß

Bescheiden schweigen in der Landsgemeinde.

Nicht weil ich jung bin und nicht viel erlebte,

Verachtet meinen Rat und meine Rede,

Nicht lüstern jugendliches Blut, mich treibt

Des höchsten Jammers schmerzliche Gewalt,

Was auch den Stein des Felsen muß erbarmen.

Ihr selbst seid Väter, Häupter eines Hauses,

Und wünscht euch einen tugendhaften Sohn,

Der eures Hauptes heil'ge Locken ehre,

Und euch den Stern des Auges fromm bewache.

O weil ihr selbst an eurem Leib und Gut

Noch nichts erlitten, eure Augen sich

Noch frisch und hell in ihren Kreisen regen,

So sei euch darum unsre Not nicht fremd.

Auch über euch hängt das Tyrannenschwert,

Ihr habt das Land von Östreich abgewendet,

Kein anderes war meines Vaters Unrecht,

Ihr seid in gleicher Mitschuld und Verdammnis.

STAUFFACHER zu Walther Fürst:

Beschließet Ihr, ich bin bereit zu folgen.

WALTHER FÜRST:

Wir wollen hören, was die edeln Herrn

Von Sillinen, von Attinghausen raten –

Ihr Name, denk ich, wird uns Freunde werben.

MELCHTAL: Wo ist ein Name in dem Waldgebirg

Ehrwürdiger als Eurer und der Eure?

An solcher Namen echte Währung glaubt

Das Volk, sie haben guten Klang im Lande.

Ihr habt ein reiches Erb von Vätertugend,

Und habt es selber reich vermehrt – Was braucht's

Des Edelmanns? Laßt's uns allein vollenden.

Wären wir doch allein im Land! Ich meine,

Wir wollten uns schon selbst zu schirmen wissen.

STAUFFACHER:

Die Edeln drängt nicht gleiche Not mit uns,

Der Strom, der in den Niederungen wütet,

Bis jetzt hat er die Höhn noch nicht erreicht –

Doch ihre Hülfe wird uns nicht entstehn,

Wenn sie das Land in Waffen erst erblicken.

WALTHER FÜRST:

Wäre ein Obmann zwischen uns und Östreich,

So möchte Recht entscheiden und Gesetz,

Doch der uns unterdrückt, ist unser Kaiser

Und höchster Richter – so muß Gott uns helfen

Durch unsern Arm – erforschet Ihr die Männer

Von Schwyz, ich will in Uri Freunde werben.

Wen aber senden wir nach Unterwalden –

MELCHTAL: Mich sendet hin – wem läg es näher an –

WALTHER FÜRST:

Ich geb's nicht zu, Ihr seid mein Gast, ich muß

Für Eure Sicherheit gewähren!

MELCHTAL: Laßt mich!

Die Schliche kenn ich und die Felsensteige,

Auch Freunde find ich gnug, die mich dem Feind

Verhehlen und ein Obdach gern gewähren.

STAUFFACHER:

Laßt ihn mit Gott hinübergehn. Dort drüben

Ist kein Verräter – so verabscheut ist

Die Tyrannei, daß sie kein Werkzeug findet.

Auch der Alzeller soll uns in dem Wald

Genossen werben und das Land erregen.

MELCHTAL: Wie bringen wir uns sichre Kunde zu,

Daß wir den Argwohn der Tyrannen täuschen?

STAUFFACHER:

Wir könnten uns zu Brunnen oder Treib

Versammeln, wo die Kaufmannsschiffe landen.

WALTHER FÜRST:

So offen dürfen wir das Werk nicht treiben.

– Hört meine Meinung. Links am See, wenn man

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