Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 16)

von Rache. Nicht Geschehnes rächen,

Gedrohtem Übel wollen wir begegnen.

– Jetzt sagt, was Ihr im Unterwaldner Land

Geschafft und für gemeine Sach geworben,

Wie die Landleute denken, wie Ihr selbst

Den Stricken des Verrats entgangen seid.

MELCHTAL: Durch der Surennen furchtbares Gebirg,

Auf weit verbreitet öden Eisesfeldern,

Wo nur der heisre Lämmergeier krächzt,

Gelangt ich zu der Alpentrift, wo sich

Aus Uri und vom Engelberg die Hirten

Anrufend grüßen und gemeinsam weiden,

Den Durst mir stillend mit der Gletscher Milch,

Die in den Runsen schäumend niederquillt.

In den einsamen Sennhütten kehrt ich ein,

Mein eigner Wirt und Gast, bis daß ich kam

Zu Wohnungen gesellig lebender Menschen.

– Erschollen war in diesen Tälern schon

Der Ruf des neuen Greuels der geschehn,

Und fromme Ehrfurcht schaffte mir mein Unglück

Vor jeder Pforte, wo ich wandernd klopfte.

Entrüstet fand ich diese graden Seelen

Ob dem gewaltsam neuen Regiment,

Denn so wie ihre Alpen fort und fort

Dieselben Kräuter nähren, ihre Brunnen

Gleichförmig fließen, Wolken selbst und Winde

Den gleichen Strich unwandelbar befolgen,

So hat die alte Sitte hier vom Ahn

Zum Enkel unverändert fortbestanden,

Nicht tragen sie verwegne Neuerung

Im altgewohnten gleichen Gang des Lebens.

– Die harten Hände reichten sie mir dar,

Von den Wänden langten sie die rost'gen Schwerter,

Und aus den Augen blitzte freudiges

Gefühl des Muts, als ich die Namen nannte,

Die im Gebirg dem Landmann heilig sind,

Den Eurigen und Walther Fürsts – Was Euch

Recht würde dünken, schwuren sie zu tun,

Euch schwuren sie bis in den Tod zu folgen.

– So eilt ich sicher unterm heil'gen Schirm

Des Gastrechts von Gehöfte zu Gehöfte –

Und als ich kam ins heimatliche Tal,

Wo mir die Vettern viel verbreitet wohnen –

Als ich den Vater fand, beraubt und blind,

Auf fremdem Stroh, von der Barmherzigkeit

Mildtät'ger Menschen lebend –

STAUFFACHER:Herr im Himmel!

MELCHTAL:

Da weint ich nicht! Nicht in ohnmächt'gen Tränen

Goß ich die Kraft des heißen Schmerzens aus,

In tiefer Brust wie einen teuern Schatz

Verschloß ich ihn und dachte nur auf Taten.

Ich kroch durch alle Krümmen des Gebirgs,

Kein Tal war so versteckt, ich späht es aus,

Bis an der Gletscher eisbedeckten Fuß

Erwartet ich und fand bewohnte Hütten,

Und überall, wohin mein Fuß mich trug,

Fand ich den gleichen Haß der Tyrannei,

Denn bis an diese letzte Grenze selbst

Belebter Schöpfung, wo der starre Boden

Aufhört zu geben, raubt der Vögte Geiz –

Die Herzen alle dieses biedern Volks

Erregt ich mit dem Stachel meiner Worte,

Und unser sind sie all mit Herz und Mund.

STAUFFACHER:

Großes habt Ihr in kurzer Frist geleistet.

MELCHTAL:

Ich tat noch mehr. Die beiden Festen sind's,

Roßberg und Sarnen, die der Landmann fürchtet,

Denn hinter ihren Felsenwällen schirmt

Der Feind sich leicht und schädiget das Land.

Mit eignen Augen wollt ich es erkunden,

Ich war zu Sarnen und besah die Burg.

STAUFFACHER:

Ihr wagtet Euch bis in des Tigers Höhle?

MELCHTAL:

Ich war verkleidet dort in Pilgerstracht,

Ich sah den Landvogt an der Tafel schwelgen –

Urteilt, ob ich mein Herz bezwingen kann,

Ich sah den Feind und ich erschlug ihn nicht.

STAUFFACHER:

Fürwahr das Glück war Eurer Kühnheit hold.

Unterdessen sind die andern Landleute vorwärts gekommen,

und nähern sich den beiden.

Doch jetzo sagt mir, wer die Freunde sind,

Und die gerechten Männer, die Euch folgten?

Macht mich bekannt mit ihnen, daß wir uns

Zutraulich nahen und die Herzen öffnen.

MEIER:

Wer kennte Euch nicht, Herr, in den drei Landen?

Ich bin der Mei'r von Sarnen, dies hier ist

Mein Schwestersohn, der Struth

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