Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 18)
meisten Jahre zählt Ulrich der Schmied.
AUF DER MAUER:
Der Mann ist wacker, doch nicht freien Stands,
Kein eigner Mann kann Richter sein in Schwyz.
STAUFFACHER:
Steht nicht Herr Reding hier der Altlandammann?
Was suchen wir noch einen Würdigern?
WALTHER FÜRST:
Er sei der Ammann und des Tages Haupt!
Wer dazu stimmt erhebe seine Hände.
Alle heben die rechte Hand auf.
REDING tritt in die Mitte:
Ich kann die Hand nicht auf die Bücher legen,
So schwör ich droben bei den ew'gen Sternen,
Daß ich mich nimmer will vom Recht entfernen.
Man richtet die zwei Schwerter vor ihm auf, der Ring bildet sich
um ihn her, Schwyz hält die Mitte, rechts stellt sich Uri und links
Unterwalden. Er steht auf sein Schlachtschwert gestützt.
Was ist's, das die drei Völker des Gebirgs
Hier an des Sees unwirtlichem Gestade
Zusammenführte in der Geisterstunde?
Was soll der Inhalt sein des neuen Bunds,
Den wir hier unterm Sternenhimmel stiften?
STAUFFACHER tritt in den Ring:
Wir stiften keinen neuen Bund, es ist
Ein uralt Bündnis nur von Väterzeit,
Das wir erneuern! Wisset Eidgenossen!
Ob uns der See, ob uns die Berge scheiden,
Und jedes Volk sich für sich selbst regiert,
So sind wir eines Stammes doch und Bluts,
Und eine Heimat ist's, aus der wir zogen.
WINKELRIED: So ist es wahr, wie's in den Liedern lautet,
Daß wir von fernher in das Land gewallt?
O teilt's uns mit, was Euch davon bekannt,
Daß sich der neue Bund am alten stärke.
STAUFFACHER:
Hört, was die alten Hirten sich erzählen.
– Es war ein großes Volk, hinten im Lande
Nach Mitternacht, das litt von schwerer Teurung.
In dieser Not beschloß die Landsgemeinde,
Daß je der zehnte Bürger nach dem Los
Der Väter Land verlasse – das geschah!
Und zogen aus, wehklagend, Männer und Weiber,
Ein großer Heerzug, nach der Mittagsonne,
Mit dem Schwert sich schlagend durch das deutsche Land,
Bis an das Hochland dieser Waldgebirge.
Und eher nicht ermüdete der Zug,
Bis daß sie kamen in das wilde Tal,
Wo jetzt die Muotta zwischen Wiesen rinnt –
Nicht Menschenspuren waren hier zu sehen,
Nur eine Hütte stand am Ufer einsam,
Da saß ein Mann, und wartete der Fähre –
Doch heftig wogete der See und war
Nicht fahrbar; da besahen sie das Land
Sich näher und gewahrten schöne Fülle
Des Holzes und entdeckten gute Brunnen,
Und meinten, sich im lieben Vaterland
Zu finden – Da beschlossen sie zu bleiben,
Erbaueten den alten Flecken Schwyz,
Und hatten manchen sauren Tag, den Wald
Mit weitverschlungnen Wurzeln auszuroden –
Drauf als der Boden nicht mehr Gnügen tat
Der Zahl des Volks, da zogen sie hinüber
Zum schwarzen Berg, ja bis ans Weißland hin,
Wo hinter ew'gem Eiseswall verborgen,
Ein andres Volk in andern Zungen spricht.
Den Flecken Stanz erbauten sie am Kernwald,
Den Flecken Altorf in dem Tal der Reuß –
Doch blieben sie des Ursprungs stets gedenk,
Aus all den fremden Stämmen, die seitdem
In Mitte ihres Lands sich angesiedelt,
Finden die Schwyzer Männer sich heraus,
Es gibt das Herz, das Blut sich zu erkennen.
Reicht rechts und links die Hand hin.
AUF DER MAUER: Ja wir sind eines Herzens, eines Bluts!
ALLE sich die Hände reichend:
Wir sind ein Volk, und einig wollen wir handeln.
STAUFFACHER:
Die andern Völker tragen fremdes Joch,
Sie haben sich dem Sieger unterworfen.
Es leben selbst in unsern Landesmarken
Der Sassen viel, die fremde Pflichten tragen,
Und ihre Knechtschaft erbt auf ihre Kinder.
Doch wir, der alten Schweizer echter