Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 23)
Gott vertraut und die gelenke Kraft,
Der ringt sich leicht aus jeder Fahr und Not,
Den schreckt der Berg nicht, der darauf geboren.
Er hat seine Arbeit vollendet, legt das Gerät hinweg.
Jetzt, mein ich, hält das Tor auf Jahr und Tag.
Die Axt im Haus erspart den Zimmermann.
Nimmt den Hut.
HEDWIG: Wo gehst du hin?
TELL: Nach Altorf, zu dem Vater.
HEDWIG:
Sinnst du auch nichts Gefährliches? Gesteh mir's.
TELL: Wie kommst du darauf Frau?
HEDWIG: Es spinnt sich etwas
Gegen die Vögte – Auf dem Rütli ward
Getagt, ich weiß, und du bist auch im Bunde.
TELL: Ich war nicht mit dabei – doch werd ich mich
Dem Lande nicht entziehen, wenn es ruft.
HEDWIG: Sie werden dich hinstellen, wo Gefahr ist,
Das Schwerste wird dein Anteil sein, wie immer.
TELL: Ein jeder wird besteuert nach Vermögen.
HEDWIG: Den Unterwaldner hast du auch im Sturme
Über den See geschafft – Ein Wunder war's,
Daß ihr entkommen – Dachtest du denn gar nicht
An Kind und Weib?
TELL: Lieb Weib, ich dacht an euch,
Drum rettet ich den Vater seinen Kindern.
HEDWIG: Zu schiffen in dem wüt'gen See! Das heißt
Nicht Gott vertrauen! Das heißt Gott versuchen.
TELL: Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten.
HEDWIG: Ja du bist gut und hilfreich, dienest allen,
Und wenn du selbst in Not kommst, hilft dir keiner.
TELL: Verhüt es Gott, daß ich nicht Hülfe brauche.
Er nimmt die Armbrust und Pfeile.
HEDWIG: Was willst du mit der Armbrust? Laß sie hier.
TELL: Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt.
Die Knaben kommen zurück.
WALTHER: Vater, wo gehst du hin?
TELL:Nach Altorf, Knabe,
Zum Ehni. Willst du mit?
WALTHER: Ja freilich will ich.
HEDWIG:
Der Landvogt ist jetzt dort. Bleib weg von Altorf.
TELL: Er geht, noch heute.
HEDWIG: Drum laß ihn erst fort sein.
Gemahn ihn nicht an dich, du weißt, er grollt uns.
TELL: Mir soll sein böser Wille nicht viel schaden,
Ich tue recht und scheue keinen Feind.
HEDWIG: Die recht tun, eben die haßt er am meisten.
TELL: Weil er nicht an sie kommen kann – Mich wird
Der Ritter wohl in Frieden lassen, mein ich.
HEDWIG: So, weißt du das?
TELL:Es ist nicht lange her,
Da ging ich jagen durch die wilden Gründe
Des Schächentals auf menschenleerer Spur,
Und da ich einsam einen Felsensteig
Verfolgte, wo nicht auszuweichen war,
Denn über mir hing schroff die Felswand her,
Und unten rauschte fürchterlich der Schächen,
Die Knaben drängen sich rechts und links an ihn und sehen mit
gespannter Neugier an ihm hinauf:
Da kam der Landvogt gegen mich daher,
Er ganz allein mit mir, der auch allein war,
Bloß Mensch zu Mensch und neben uns der Abgrund.
Und als der Herre mein ansichtig ward,
Und mich erkannte, den er kurz zuvor
Um kleiner Ursach willen schwer gebüßt,
Und sah mich mit dem stattlichen Gewehr
Dahergeschritten kommen, da verblaßt' er,
Die Knie versagten ihn, ich sah es kommen,
Daß er jetzt an die Felswand würde sinken.
– Da jammerte mich sein, ich trat zu ihm
Bescheidentlich und sprach: »Ich bin's, Herr Landvogt.«
Er aber konnte keinen armen Laut
Aus seinem Munde geben – Mit der Hand nur
Winkt' er mir schweigend, meines Wegs zu gehn,
Da ging ich fort, und sandt ihm sein Gefolge.
HEDWIG: Er hat vor dir gezittert – Wehe dir!
Daß du ihn schwach gesehn, vergibt er nie.
TELL: Drum meid ich ihn, und er wird