Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 21)

Vögte wollen wir mit ihren Knechten

Verjagen und die festen Schlösser brechen,

Doch wenn es sein mag, ohne Blut. Es sehe

Der Kaiser, daß wir notgedrungen nur

Der Ehrfurcht fromme Pflichten abgeworfen.

Und sieht er uns in unsern Schranken bleiben,

Vielleicht besiegt er staatsklug seinen Zorn,

Denn bill'ge Furcht erwecket sich ein Volk,

Das mit dem Schwerte in der Faust sich mäßigt.

REDING: Doch lasset hören! Wie vollenden wir's?

Es hat der Feind die Waffen in der Hand,

Und nicht fürwahr in Frieden wird er weichen.

STAUFFACHER:

Er wird's, wenn er in Waffen uns erblickt,

Wir überraschen ihn, eh er sich rüstet.

MEIER: Ist bald gesprochen, aber schwer getan.

Uns ragen in dem Land zwei feste Schlösser,

Die geben Schirm dem Feind und werden furchtbar,

Wenn uns der König in das Land sollt fallen.

Roßberg und Sarnen muß bezwungen sein,

Eh man ein Schwert erhebt in den drei Landen.

STAUFFACHER:

Säumt man so lang, so wird der Feind gewarnt,

Zu viele sind's, die das Geheimnis teilen.

MEIER: In den Waldstätten findt sich kein Verräter.

RÖSSELMANN: Der Eifer auch, der gute, kann verraten.

WALTHER FÜRST:

Schiebt man es auf, so wird der Twing vollendet

In Altorf und der Vogt befestigt sich.

MEIER: Ihr denkt an euch.

SIGRIST:  Und ihr seid ungerecht.

MEIER auffahrend:

Wir ungerecht! Das darf uns Uri bieten!

REDING: Bei eurem Eide! Ruh!

MEIER: Ja, wenn sich Schwyz

Versteht mit Uri, müssen wir wohl schweigen.

REDING:

Ich muß euch weisen vor der Landsgemeinde,

Daß ihr mit heft'gem Sinn den Frieden stört!

Stehn wir nicht alle für dieselbe Sache?

WINKELRIED:

Wenn wir's verschieben bis zum Fest des Herrn

Dann bringt's die Sitte mit, daß alle Sassen

Dem Vogt Geschenke bringen auf das Schloß,

So können zehen Männer oder zwölf

Sich unverdächtig in der Burg versammeln,

Die führen heimlich spitz'ge Eisen mit,

Die man geschwind kann an die Stäbe stecken,

Denn niemand kommt mit Waffen in die Burg.

Zunächst im Wald hält dann der große Haufe,

Und wenn die andern glücklich sich des Tors

Ermächtiget, so wird ein Horn geblasen,

Und jene brechen aus dem Hinterhalt,

So wird das Schloß mit leichter Arbeit unser.

MELCHTAL: Den Roßberg übernehm ich zu ersteigen,

Denn eine Dirn des Schlosses ist mir hold,

Und leicht betör ich sie, zum nächtlichen

Besuch die schwanke Leiter mir zu reichen,

Bin ich droben erst, zieh ich die Freunde nach.

REDING: Ist's aller Wille, daß verschoben werde?

Die Mehrheit erhebt die Hand.

STAUFFACHER zählt die Stimmen:

Es ist ein Mehr von zwanzig gegen zwölf!

WALTHER FÜRST:

Wenn am bestimmten Tag die Burgen fallen,

So geben wir von einem Berg zum andern

Das Zeichen mit dem Rauch, der Landsturm wird

Aufgeboten, schnell, im Hauptort jedes Landes,

Wenn dann die Vögte sehn der Waffen Ernst,

Glaubt mir, sie werden sich des Streits begeben,

Und gern ergreifen friedliches Geleit,

Aus unsern Landesmarken zu entweichen.

STAUFFACHER:

Nur mit dem Geßler fürcht ich schweren Stand,

Furchtbar ist er mit Reisigen umgeben,

Nicht ohne Blut räumt er das Feld, ja selbst

Vertrieben bleibt er furchtbar noch dem Land,

Schwer ist's und fast gefährlich, ihn zu schonen.

BAUMGARTEN:

Wo's halsgefährlich ist, da stellt mich hin,

Dem Tell verdank ich mein gerettet Leben,

Gern schlag ich's in die Schanze für das Land,

Mein Ehr hab ich beschützt, mein Herz befriedigt.

REDING: Die Zeit bringt Rat. Erwartet's in Geduld.

Man muß dem Augenblick auch was vertrauen.

– Doch seht, indes wir nächtlich hier noch tagen,

Stellt auf den höchsten Bergen schon der Morgen

Die glühnde Hochwacht aus – Kommt, laßt uns scheiden,

Eh uns des Tages Leuchten

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