Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 24)

mich nicht suchen.

HEDWIG: Bleib heute nur dort weg. Geh lieber jagen.

TELL: Was fällt dir ein?

HEDWIG: Mich ängstigt's. Bleibe weg.

TELL: Wie kannst du dich so ohne Ursach quälen?

HEDWIG: Weil's keine Ursach hat – Tell, bleibe hier.

TELL: Ich hab's versprochen, liebes Weib, zu kommen.

HEDWIG:

Mußt du, so geh – Nur lasse mir den Knaben!

WALTHER: Nein, Mütterchen. Ich gehe mit dem Vater.

HEDWIG: Wälti, verlassen willst du deine Mutter?

WALTHER:

Ich bring dir auch was Hübsches mit vom Ehni.

Geht mit dem Vater.

WILHELM: Mutter, ich bleibe bei dir!

HEDWIG umarmt ihn:    Ja, du bist

Mein liebes Kind, du bleibst mir noch allein!

Sie geht an das Hoftor, und folgt den Abgehenden lange

mit den Augen.

Zweite Szene

Eine eingeschlossene wilde Waldgegend, Staubbäche stürzen

von den Felsen.

Berta im Jagdkleid. Gleich darauf Rudenz.

BERTA: Er folgt mir. Endlich kann ich mich erklären.

RUDENZ tritt rasch ein:

Fräulein, jetzt endlich find ich Euch allein,

Abgründe schließen rings umher uns ein,

In dieser Wildnis fürcht ich keinen Zeugen,

Vom Herzen wälz ich dieses lange Schweigen –

BERTA: Seid Ihr gewiß, daß uns die Jagd nicht folgt?

RUDENZ: Die Jagd ist dort hinaus – Jetzt oder nie!

Ich muß den teuren Augenblick ergreifen –

Entschieden sehen muß ich mein Geschick,

Und sollt es mich auf ewig von Euch scheiden.

– O waffnet Eure güt'gen Blicke nicht

Mit dieser finstern Strenge – Wer bin ich,

Daß ich den kühnen Wunsch zu Euch erhebe?

Mich hat der Ruhm noch nicht genannt, ich darf

Mich in die Reih nicht stellen mit den Rittern,

Die siegberühmt und glänzend Euch umwerben.

Nichts hab ich als mein Herz voll Treu und Liebe –

BERTA ernst und streng:

Dürft Ihr von Liebe reden und von Treue,

Der treulos wird an seinen nächsten Pflichten?

Rudenz tritt zurück.

Der Sklave Österreichs, der sich dem Fremdling

Verkauft, dem Unterdrücker seines Volks?

RUDENZ:

Von Euch, mein Fräulein, hör ich diesen Vorwurf?

Wen such ich denn, als Euch auf jener Seite?

BERTA: Mich denkt Ihr auf der Seite des Verrats

Zu finden? Eher wollt ich meine Hand

Dem Geßler selbst, dem Unterdrücker schenken,

Als dem naturvergeßnen Sohn der Schweiz,

Der sich zu seinem Werkzeug machen kann!

RUDENZ: O Gott, was muß ich hören!

BERTA:Wie? Was liegt

Dem guten Menschen näher als die Seinen?

Gibt's schönre Pflichten für ein edles Herz,

Als ein Verteidiger der Unschuld sein,

Das Recht des Unterdrückten zu beschirmen?

– Die Seele blutet mir um Euer Volk,

Ich leide mit ihm, denn ich muß es lieben,

Das so bescheiden ist und doch voll Kraft,

Es zieht mein ganzes Herz mich zu ihm hin,

Mit jedem Tage lern ich's mehr verehren.

– Ihr aber, den Natur und Ritterpflicht

Ihm zum geborenen Beschützer gaben,

Und der's verläßt, der treulos übertritt

Zum Feind, und Ketten schmiedet seinem Land,

Ihr seid's, der mich verletzt und kränkt, ich muß

Mein Herz bezwingen, daß ich Euch nicht hasse.

RUDENZ: Will ich denn nicht das Beste meines Volks?

Ihm unter Östreichs mächt'gem Zepter nicht

Den Frieden –

BERTA:Knechtschaft wollt Ihr ihm bereiten!

Die Freiheit wollt Ihr aus dem letzten Schloß,

Das ihr noch auf der Erde blieb, verjagen.

Das Volk versteht sich besser auf sein Glück,

Kein Schein verführt sein sicheres Gefühl,

Euch haben sie das Netz ums Haupt geworfen –

RUDENZ: Berta! Ihr haßt mich, Ihr verachtet mich!

BERTA: Tät ich's, mir wäre besser – Aber den

Verachtet sehen und verachtungswert,

Den man gern lieben möchte –

RUDENZ:Berta! Berta!

Ihr

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