Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 48)

sie fassen? – Diese Hand – O Gott!

TELL herzlich und mutig:

Hat euch verteidigt und das Land gerettet,

Ich darf sie frei hinauf zum Himmel heben.

Mönch macht eine rasche Bewegung, er erblickt ihn.

Wer ist der Bruder hier?

HEDWIG: Ach ich vergaß ihn!

Sprich du mit ihm, mir graut in seiner Nähe.

MÖNCH tritt näher:

Seid Ihr der Tell, durch den der Landvogt fiel?

TELL:

Der bin ich, ich verberg es keinem Menschen.

MÖNCH:

Ihr seid der Tell! Ach es ist Gottes Hand,

Die unter Euer Dach mich hat geführt.

TELL mißt ihn mit den Augen:

Ihr seid kein Mönch! Wer seid Ihr?

MÖNCH: Ihr erschlugt

Den Landvogt, der Euch Böses tat – Auch ich

Hab einen Feind erschlagen, der mir Recht

Versagte – Er war Euer Feind wie meiner –

Ich hab das Land von ihm befreit.

TELL zurückfahrend:  Ihr seid –

Entsetzen! – Kinder! Kinder geht hinein.

Geh liebes Weib! Geh! Geh! – Unglücklicher,

Ihr wäret –

HEDWIG:Gott, wer ist es?

TELL:  Frage nicht!

Fort! Fort! Die Kinder dürfen es nicht hören.

Geh aus dem Hause – Weit hinweg – Du darfst

Nicht unter einem Dach mit diesem wohnen.

HEDWIG: Weh mir, was ist das? Kommt!

Geht mit den Kindern.

TELL zu dem Mönch:  Ihr seid der Herzog

Von Österreich – Ihr seid's! Ihr habt den Kaiser

Erschlagen, Euern Ohm und Herrn.

JOHANNES PARRICIDA: Er war

Der Räuber meines Erbes.

TELL: Euren Ohm

Erschlagen, Euern Kaiser! Und Euch trägt

Die Erde noch! Euch leuchtet noch die Sonne!

PARRICIDA: Tell, hört mich, eh Ihr –

TELL: Von dem Blute triefend

Des Vatermordes und des Kaisermords,

Wagst du zu treten in mein reines Haus,

Du wagst's, dein Antlitz einem guten Menschen

Zu zeigen und das Gastrecht zu begehren?

PARRICIDA:

Bei Euch hofft ich Barmherzigkeit zu finden,

Auch Ihr nahmt Rach an Euerm Feind.

TELL:  Unglücklicher!

Darfst du der Ehrsucht blut'ge Schuld vermengen

Mit der gerechten Notwehr eines Vaters?

Hast du der Kinder liebes Haupt verteidigt?

Des Herdes Heiligtum beschützt? das Schrecklichste,

Das Letzte von den Deinen abgewehrt?

– Zum Himmel heb ich meine reinen Hände,

Verfluche dich und deine Tat – Gerächt

Hab ich die heilige Natur, die du

Geschändet – Nichts teil ich mit dir – Gemordet

Hast du, ich hab mein Teuerstes verteidigt.

PARRICIDA:

Ihr stoßt mich von Euch, trostlos, in Verzweiflung?

TELL:

Mich faßt ein Grausen, da ich mit dir rede.

Fort! Wandle deine fürchterliche Straße,

Laß rein die Hütte, wo die Unschuld wohnt.

PARRICIDA wendet sich zu gehn:

So kann ich, und so will ich nicht mehr leben!

TELL: Und doch erbarmt mich deiner – Gott des Himmels!

So jung, von solchem adelichen Stamm,

Der Enkel Rudolfs, meines Herrn und Kaisers,

Als Mörder flüchtig, hier an meiner Schwelle,

Des armen Mannes, flehend und verzweifelnd –

Verhüllt sich das Gesicht.

PARRICIDA:

O wenn Ihr weinen könnt, laßt mein Geschick

Euch jammern, es ist fürchterlich – Ich bin

Ein Fürst – ich war's – ich konnte glücklich werden

Wenn ich der Wünsche Ungeduld bezwang.

Der Neid zernagte mir das Herz – Ich sah

Die Jugend meines Vetters Leopold

Gekrönt mit Ehre und mit Land belohnt,

Und mich, der gleiches Alters mit ihm war,

In sklavischer Unmündigkeit gehalten –

TELL:

Unglücklicher, wohl kannte dich dein Ohm,

Da er dir Land und Leute weigerte!

Du selbst mit rascher wilder Wahnsinnstat

Rechtfertigst furchtbar seinen weisen Schluß.

– Wo sind die blut'gen Helfer deines Mords?

PARRICIDA:

Wohin die Rachegeister sie geführt,

Ich sah sie seit der Unglückstat nicht wieder.

TELL:

Weißt du, daß dich die Acht verfolgt, daß du

Dem Freund verboten und dem Feind erlaubt?

PARRICIDA:

Darum vermeid ich alle

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