Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 45)

Werk ist angefangen, nicht vollendet.

Jetzt ist uns Mut und feste Eintracht not,

Denn seid gewiß, nicht säumen wird der König,

Den Tod zu rächen seines Vogts, und den

Vertriebnen mit Gewalt zurückzuführen.

MELCHTAL: Er zieh heran mit seiner Heeresmacht,

Ist aus dem Innern doch der Feind verjagt,

Dem Feind von außen wollen wir begegnen.

RUODI: Nur wen'ge Pässe öffnen ihm das Land,

Die wollen wir mit unsern Leibern decken.

BAUMGARTEN: Wir sind vereinigt durch ein ewig Band,

Und seine Heere sollen uns nicht schrecken!

Rösselmann und Stauffacher kommen.

 

RÖSSELMANN im Eintreten:

Das sind des Himmels furchtbare Gerichte.

LANDLEUTE: Was gibt's?

RÖSSELMANN: In welchen Zeiten leben wir!

WALTHER FÜRST:

Sagt an, was ist es? – Ha, seid Ihr's Herr Werner?

Was bringt Ihr uns?

LANDLEUTE: Was gibt's?

RÖSSELMANN: Hört und erstaunet!

STAUFFACHER:

Von einer großen Furcht sind wir befreit –

RÖSSELMANN: Der Kaiser ist ermordet.

WALTHER FÜRST:     Gnäd'ger Gott!

Landleute machen einen Aufstand und umdrängen den Stauffacher.

ALLE: Ermordet! Was! Der Kaiser! Hört! Der Kaiser!

MELCHTAL:

Nicht möglich! Woher kam Euch diese Kunde?

STAUFFACHER:

Es ist gewiß. Bei Bruck fiel König Albrecht

Durch Mördershand – ein glaubenswerter Mann,

Johannes Müller bracht es von Schaffhausen.

WALTHER FÜRST: Wer wagte solche grauenvolle Tat?

STAUFFACHER:

Sie wird noch grauenvoller durch den Täter.

Es war sein Neffe, seines Bruders Kind,

Herzog Johann von Schwaben, der's vollbrachte.

MELCHTAL: Was trieb ihn zu der Tat des Vatermords?

STAUFFACHER: Der Kaiser hielt das väterliche Erbe

Dem ungeduldig Mahnenden zurück,

Es hieß, er denk ihn ganz darum zu kürzen,

Mit einem Bischofshut ihn abzufinden.

Wie dem auch sei – der Jüngling öffnete

Der Waffenfreunde bösem Rat sein Ohr,

Und mit den edeln Herrn von Eschenbach,

Von Tegerfelden, von der Wart und Palm,

Beschloß er, da er Recht nicht konnte finden,

Sich Rach zu holen mit der eignen Hand.

WALTHER FÜRST:

O sprecht, wie ward das Gräßliche vollendet?

STAUFFACHER:

Der König ritt herab vom Stein zu Baden,

Gen Rheinfeld, wo die Hofstatt war, zu ziehn,

Mit ihm die Fürsten, Hans und Leopold,

Und ein Gefolge hochgeborner Herren.

Und als sie kamen an die Reuß, wo man

Auf einer Fähre sich läßt übersetzen,

Da drängten sich die Mörder in das Schiff,

Daß sie den Kaiser vom Gefolge trennten.

Drauf als der Fürst durch ein geackert Feld

Hinreitet – eine alte große Stadt

Soll drunter liegen aus der Heiden Zeit –

Die alte Feste Habsburg im Gesicht,

Wo seines Stammes Hoheit ausgegangen –

Stößt Herzog Hans den Dolch ihm in die Kehle,

Rudolf von Palm durchrennt ihn mit dem Speer,

Und Eschenbach zerspaltet ihm das Haupt,

Daß er heruntersinkt in seinem Blut,

Gemordet von den Seinen, auf dem Seinen.

Am andern Ufer sahen sie die Tat,

Doch durch den Strom geschieden, konnten sie

Nur ein ohnmächtig Wehgeschrei erheben;

Am Wege aber saß ein armes Weib,

In ihrem Schoß verblutete der Kaiser.

MELCHTAL: So hat er nur sein frühes Grab gegraben,

Der unersättlich alles wollte haben!

STAUFFACHER:

Ein ungeheurer Schrecken ist im Land umher,

Gesperrt sind alle Pässe des Gebirgs,

Jedweder Stand verwahret seine Grenzen,

Die alte Zürich selbst schloß ihre Tore,

Die dreißig Jahr lang offenstanden, zu,

Die Mörder fürchtend und noch mehr – die Rächer.

Denn mit des Bannes Fluch bewaffnet kommt

Der Ungarn Königin, die strenge Agnes,

Die nicht die Milde kennet ihres zarten

Geschlechts, des Vaters königliches Blut

Zu rächen an der Mörder ganzem Stamm,

An ihren Knechten, Kindern, Kindeskindern,

Ja an den Steinen ihrer Schlösser selbst.

Geschworen hat sie, ganze Zeugungen

Hinabzusenden in des Vaters Grab,

In Blut sich wie in Maientau zu baden.

MELCHTAL:

Weiß man, wo sich die Mörder

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