Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 44)

Sprengt die Bogen! Reißt

Die Mauern ein! Kein Stein bleib auf dem andern.

STEINMETZ: Gesellen kommt! Wir haben's aufgebaut,

Wir wissen's zu zerstören.

ALLE:  Kommt! Reißt nieder.

Sie stürzen sich von allen Seiten auf den Bau.

WALTHER FÜRST:

Es ist im Lauf. Ich kann sie nicht mehr halten.

Melchtal und Baumgarten kommen.

 

MELCHTAL:

Was? Steht die Burg noch und Schloß Sarnen liegt

In Asche und der Roßberg ist gebrochen?

WALTHER FÜRST:

Seid Ihr es Melchtal? Bringt Ihr uns die Freiheit?

Sagt! Sind die Lande alle rein vom Feind?

MELCHTAL umarmt ihn:

Rein ist der Boden. Freut Euch, alter Vater!

In diesem Augenblicke, da wir reden,

Ist kein Tyrann mehr in der Schweizer Land.

WALTHER FÜRST:

O sprecht, wie wurdet ihr der Burgen mächtig?

MELCHTAL: Der Rudenz war es, der das Sarner Schloß

Mit mannlich kühner Wagetat gewann,

Den Roßberg hatt ich nachts zuvor erstiegen.

– Doch höret, was geschah. Als wir das Schloß

Vom Feind geleert, nun freudig angezündet,

Die Flamme prasselnd schon zum Himmel schlug,

Da stürzt der Diethelm, Geßlers Bub, hervor,

Und ruft, daß die Bruneckerin verbrenne.

WALTHER FÜRST:

Gerechter Gott!

Man hört die Balken des Gerüstes stürzen.

MELCHTAL: Sie war es selbst, war heimlich

Hier eingeschlossen auf des Vogts Geheiß.

Rasend erhub sich Rudenz – denn wir hörten

Die Balken schon, die festen Pfosten stürzen,

Und aus dem Rauch hervor den Jammerruf

– Der Unglückseligen.

WALTHER FÜRST:  Sie ist gerettet?

MELCHTAL:

Da galt Geschwindsein und Entschlossenheit!

– Wär er nur unser Edelmann gewesen,

Wir hätten unser Leben wohl geliebt,

Doch er war unser Eidgenoß und Berta

Ehrte das Volk – So setzten wir getrost

Das Leben dran, und stürzten in das Feuer.

WALTHER FÜRST: Sie ist gerettet?

MELCHTAL: Sie ist's. Rudenz und ich,

Wir trugen sie selbander aus den Flammen,

Und hinter uns fiel krachend das Gebälk.

– Und jetzt, als sie gerettet sich erkannte,

Die Augen aufschlug zu dem Himmelslicht,

Jetzt stürzte mir der Freiherr an das Herz,

Und schweigend ward ein Bündnis jetzt beschworen,

Das fest gehärtet in des Feuers Glut

Bestehen wird in allen Schicksalsproben –

WALTHER FÜRST: Wo ist der Landenberg?

MELCHTAL: Über den Brünig.

Nicht lag's an mir, daß er das Licht der Augen

Davontrug, der den Vater mir geblendet.

Nach jagt ich ihm, erreicht ihn auf der Flucht,

Und riß ihn zu den Füßen meines Vaters.

Geschwungen über ihm war schon das Schwert,

Von der Barmherzigkeit des blinden Greises

Erhielt er flehend das Geschenk des Lebens.

Urfehde schwur er, nie zurückzukehren,

Er wird sie halten, unsern Arm hat er

Gefühlt.

WALTHER FÜRST:

Wohl Euch, daß Ihr den reinen Sieg

Mit Blute nicht geschändet!

KINDER eilen mit Trümmern des Gerüstes über die Szene:

Freiheit! Freiheit!

Das Horn von Uri wird mit Macht geblasen.

WALTHER FÜRST:

Seht, welch ein Fest! Des Tages werden sich

Die Kinder spät als Greise noch erinnern.

Mädchen bringen den Hut auf einer Stange getragen,

die ganze Szene füllt sich mit Volk an.

RUODI: Hier ist der Hut, dem wir uns beugen mußten.

BAUMGARTEN:

Gebt uns Bescheid, was damit werden soll.

WALTHER FÜRST:

Gott! Unter diesem Hute stand mein Enkel!

MEHRERE STIMMEN:

Zerstört das Denkmal der Tyrannenmacht!

Ins Feuer mit ihm!

WALTHER FÜRST: Nein, laßt ihn aufbewahren!

Der Tyrannei mußt er zum Werkzeug dienen,

Er soll der Freiheit ewig Zeichen sein!

Die Landleute, Männer, Weiber und Kinder stehen und sitzen

auf den Balken des zerbrochenen Gerüstes malerisch gruppiert

in einem großen Halbkreis umher.

MELCHTAL:

So stehen wir nun fröhlich auf den Trümmern

Der Tyrannei, und herrlich ist's erfüllt,

Was wir im Rütli schwuren, Eidgenossen.

WALTHER FÜRST:

Das

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