Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 8)

ist am mächtigsten allein.

STAUFFACHER:

So kann das Vaterland auf Euch nicht zählen,

Wenn es verzweiflungsvoll zur Notwehr greift?

TELL gibt ihm die Hand:

Der Tell holt ein verlornes Lamm vom Abgrund,

Und sollte seinen Freunden sich entziehen?

Doch was ihr tut, laßt mich aus eurem Rat,

Ich kann nicht lange prüfen oder wählen,

Bedürft ihr meiner zu bestimmter Tat,

Dann ruft den Tell, es soll an mir nicht fehlen.

Gehen ab zu verschiedenen Seiten. Ein plötzlicher Auflauf entsteht

um das Gerüste.

MEISTER STEINMETZ eilt hin: Was gibt's?

ERSTER GESELL kommt vor, rufend:

Der Schieferdecker ist vom Dach gestürzt.

 

Berta mit Gefolge.

BERTA stürzt herein:

Ist er zerschmettert? Rennet, rettet, helft –

Wenn Hilfe möglich, rettet, hier ist Gold –

Wirft ihr Geschmeide unter das Volk.

MEISTER: Mit eurem Golde – Alles ist euch feil

Um Gold, wenn ihr den Vater von den Kindern

Gerissen und den Mann von seinem Weibe,

Und Jammer habt gebracht über die Welt,

Denkt ihr's mit Golde zu vergüten – Geht!

Wir waren frohe Menschen eh ihr kamt,

Mit euch ist die Verzweiflung eingezogen.

BERTA zu dem Fronvogt, der zurückkommt:

Lebt er?

Der Fronvogt gibt ein Zeichen des Gegenteils.

 O unglücksel'ges Schloß, mit Flüchen

Erbaut, und Flüche werden dich bewohnen!

Geht ab.

Vierte Szene

Walther Fürsts Wohnung

Walter Fürst und Arnold von Melchtal treten zugleich ein, von

verschiedenen Seiten.

MELCHTAL:

Herr Walther Fürst –

WALTHER FÜRST:Wenn man uns überraschte!

Bleibt, wo Ihr seid. Wir sind umringt von Spähern.

MELCHTAL:

Bringt Ihr mir nichts von Unterwalden? Nichts

Von meinem Vater? Nicht ertrag ich's länger,

Als ein Gefangner müßig hier zu liegen.

Was hab ich denn so Sträfliches getan,

Um mich gleich einem Mörder zu verbergen?

Dem frechen Buben, der die Ochsen mir,

Das trefflichste Gespann, vor meinen Augen

Weg wollte treiben auf des Vogts Geheiß,

Hab ich den Finger mit dem Stab gebrochen.

WALTHER FÜRST:

Ihr seid zu rasch. Der Bube war des Vogts,

Von Eurer Obrigkeit war er gesendet,

Ihr wart in Straf gefallen, mußtet Euch,

Wie schwer sie war, der Buße schweigend fügen.

MELCHTAL: Ertragen sollt ich die leichtfert'ge Rede

Des Unverschämten: »Wenn der Bauer Brot

Wollt essen, mög er selbst am Pfluge ziehn!«

In die Seele schnitt mir's, als der Bub die Ochsen,

Die schönen Tiere, von dem Pfluge spannte,

Dumpf brüllten sie, als hätten sie Gefühl

Der Ungebühr, und stießen mit den Hörnern,

Da übernahm mich der gerechte Zorn,

Und meiner selbst nicht Herr, schlug ich den Boten.

WALTHER FÜRST:

O kaum bezwingen wir das eigne Herz,

Wie soll die rasche Jugend sich bezähmen!

MELCHTAL: Mich jammert nur der Vater – Er bedarf

So sehr der Pflege, und sein Sohn ist fern.

Der Vogt ist ihm gehässig, weil er stets

Für Recht und Freiheit redlich hat gestritten.

Drum werden sie den alten Mann bedrängen,

Und niemand ist, der ihn vor Unglimpf schütze.

– Werde mit mir was will, ich muß hinüber.

WALTHER FÜRST:

Erwartet nur und faßt Euch in Geduld,

Bis Nachricht uns herüberkommt vom Walde.

– Ich höre klopfen, geht – Vielleicht ein Bote

Vom Landvogt – Geht hinein – Ihr seid in Uri

Nicht sicher vor des Landenbergers Arm,

Denn die Tyrannen reichen sich die Hände.

MELCHTAL: Sie lehren uns, was wir tun sollten.

WALTHER FÜRST:Geht!

Ich ruf Euch wieder, wenn's hier sicher ist.

Melchtal geht hinein.

Der Unglückselige, ich darf ihm nicht

Gestehen, was mir Böses schwant – Wer klopft?

Sooft die Türe rauscht, erwart ich Unglück.

Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken,

Bis in

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