Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 193)
hinauf; »die Polacken, um Gottes Tod, schweig still!«
Als gleich danach ein angstvolles junges Antlitz aus dem Fenster fuhr, stand er schon wieder an seinem vorhin verlassenen Bienenstande, eine Drahtmaske vorgebunden, große Lederstülpen an den Händen. Hurtig rückte er einen kleinen Holztritt von einem Stock zum andern, und schon waren unter dem tönenden Gesumm der Bienen alle oberen Körbe umgekehrt und lehnten mit der offenen Seite an den Rand des Gartenzauns.
Der Alte nickte, ein grimmiges Lachen fuhr wie ein Schluchzen aus dem zahnlosen Munde; dann stieg er zum letztenmal von seinem Tritt und steckte den Kopf mit dem wehenden Greishaar durch die Zaunlücke; als er aber die Kerle, voran ein schlanker Bursch mit gezogenem Pallasch, nach dem Hause zulaufen sah, winkte er ihnen mit der Hand und schrie laut und immer lauter: »Paschól! Paschól!« ein Wort, dessen Sinn er zwar nicht kannte, das ihm aber in Entstehung eines andern hier verwendbar scheinen mochte. Und wie er es gewollt hatte, die Polacken wandten sich und kamen mit Geschrei gegen die Zaunlücke hergestürmt; das Männlein aber nickte ihnen noch einmal zu; dann packte er mit beiden Händen eine Stange und schlug damit wie toll, Reih auf und ab, gegen die offenen Bienenkörbe: »Paschól! Paschól!« schrie er; und noch einmal »Paschól!« Und die wütend gemachten Tiere stürzten sich über den Zaun auf die erschreckten Strolche, und Flüche und Lustgeschrei wurden zu Geheul und der Ansturm zu einer wilden Flucht.
Als das kluge Männlein abermals durch den Zaun lugte, ist der Haufe schon fern gewesen; die Hände vor den Augen, rannten sie blind ins Weite; nur der Anführer hat sich noch einmal umgewandt und unter unverständlichem Geschrei wie drohend seine Faust gehoben.
– – Am Abend desselben Spätsommertages ist es gewesen; der Mond, der eben glührot aus den Nebeln aufgestiegen war, warf jetzt sein silberklares Licht in die Gassen des kleinen Dorfes, als unter einem der niedrigen Strohdächer die hohe Gestalt des Junkers Hinrich in den hellen Schein heraustrat; der kunstfertige Hufschmied mochte an der neuen Pannenbüchse, die jetzt über seiner Schulter hing, den einen oder andern Fehl beseitigt haben. Mit ihm hatten zwei große Hunde sich zur Tür hinausgedrängt; der Tiras war nicht mehr darunter, zwei lohbraune Schweißhunde waren es, die ihn jetzt meistens zu begleiten pflegten, nicht nur zum Schutze gegen streifendes Gesindel; wie nach dem großen Krieg im Reiche draußen, so hatte auch hier das Raubzeug sich vermehrt, gar auf den Landtagen hatte man über die Ausrottung des grausamen Wolfs verhandelt und Beschluß gefaßt; in den Eichen von Grieshuus aber fand das Gezüchte insonders seinen Unterschlupf, und Junker Hinrich und der alte Jäger Owe Heikens waren ihm mit Fallen wie mit Hunden auf dem Nacken.
Die Hände auf den mächtigen Köpfen der zu beiden Seiten schreitenden Tiere, war er durch das Dorf hinausgegangen; das weite Feld lag vor ihm, nur drüben wie im Nebel erhob sich das umbuschte Heimwesen einer Menschenwohnung. Langsam schritt er durch die Nachtstille aufwärts; da scholl von dort ein Schrei zu ihm herüber, ein »Hülfe! Mordio, Hülfe!« aus der Kehle eines