Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 195)

Kopf war auf die Brust gesunken, der Mond beleuchtete ein schönes Antlitz mit geschlossenen Augen. »Canaillen!« schrie er, »verfluchte!« Aber er verstummte, als das schöne Haupt sich aufrichtete und ein Paar blaue Augen wie verwirrt zu ihm herüberblickten.

Junker Hinrich hatte die Kappe von seinem dunklen Haupt gelüftet, ehrerbietiger fast als einst vor seiner gräflichen Muhme, da sie Grieshuus mit ihrer Gegenwart beehrt hatte; zaghaft, die Augen unablässig nach dem blassen Antlitz, trat er näher: »Wer seid Ihr?« frug er zögernd. »Wie kommt Ihr in das Heimwesen dieses Mannes?«

Schon streckte er die Hände aus, um die Stricke von dem schlanken Leib zu lösen; aber ein dumpfer, wütender Anschlag der beiden Hunde fuhr dazwischen. Da war er mit ein paar Sprüngen wiederum an ihrer Seite; er sah es wohl, der eine der Marodeure hatte entwischen wollen; doch die Tatzen des größten Hundes lagen ihm schon wie Eisenklammern an dem Nacken.

Noch einen Blick warf der Junker nach der Gefesselten; aber der Kornschreiber war zu ihr herangekeucht, und seine Gestalt verdeckte die kindliche des Mädchens, während er an der Ablösung der Stricke sich zu mühen schien. »Sind sie fort?« hörte der Junker ihn noch fragen. »Sind sie alle fort?« Und die junge, zitternde Stimme frug dagegen: »Wen meint Er, Vater; die Polacken?«

»Ja, ja, Kind. Die Polacken, der Junker, alle miteinander!«

Dann war er mit seinen Gefangenen schon draußen vor dem Hause. Als er nach dem Hauptwege hinunterblickte, sah er einen stämmigen Burschen auf sich zuschreiten: »Hans Christoph?« rief er. »Bist du's, Hans Christoph?«

»Ja, Herr; ich war im Dorfe noch bei meiner Mutter; da auf dem Rückweg, von hier herüber, hört ich Euere Hunde.«

Der Junker stand einen Augenblick: »So können wir sie hier lassen; es könnt vor morgen noch einmal Besuch kommen.«

Er hatte auf die beiden Strolche hingewiesen; dann bückte er sich zu den Hunden und raunte jedem ein Wort ins Ohr; und die mächtigen Tiere, in widerwilligem Gehorsam, streckten sich zu beiden Seiten der Haustür auf den Boden.

Hans Christoph hatte verwundert zugeschaut. »Herr Junker«, sagte er, als ob er's nicht verhalten könne; »so Raubkerle haben oft verflixte Puffer; wollt Ihr um den alten Schreiber Euere schönen Hunde wagen?«

Der Junker sah ihn an, als ob er sich besinnen müsse: »Um den Kornschreiber, meinst du? O ja, Hans Christoph; auch um den Kornschreiber!«

Und der Zug setzte sich gegen den Hof zu in Bewegung, während die Augen der Hunde ihnen nachsahen, bis sie über den Feldern in dem ungewissen Licht des Mondes nicht mehr sichtbar waren.

– – Zu Grieshuus war mittlerweile große Unruh eingebrochen; schwedische Einquartierung war gekommen, in den Scheuern und auf dem Hofe drängte es sich von Pferden und Soldaten; drinnen im Herrenhause saßen die Offiziere hinter vollen Bechern, während der alte Herr voll Ungeduld nach seinem Sohne aussah. Als dieser mit den beiden Marodierern anlangte, fand er nach Verwahrung derselben zwar einen Profoß bei dem Kriegshaufen, bei den Hauptleuten aber geringe Lust, den Strolchen zur wohlverdienten Strafe zu verhelfen. Um so mehr flogen in dem nächtlichen Tumulte seine Gedanken immer wieder nach dem einsamen Hause,

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