Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 202)

den zieren Puppen tanzen?«

Aber sie schlug die Augen angstvoll zu ihm auf: »Nein, nein; was sagst du, Hinrich?«

Er sah sie lang und zärtlich an: »Nichts, Bärbe; aber ich halte dich; du darfst dich nicht so fürchten!«

Da scholl der Anschlag großer Hunde aus dem Walde; Owe Heikens kam mit seinem Knechte wieder heim. Aber das Gemach war leer, als er hineintrat, und nur die Hunde gingen spürend darin hin und wider.

Am Sonntage danach war, wie immer, das schwere herrschaftliche Fuhrwerk mit den roten Rädern an der Kirche aufgefahren; die Rappen standen angebunden an den Eisenringen der Kapellenmauer. Drinnen hielt der Pastor eine scharfe Predigt wider die Schwarmgeister und Wiedertäufer, die drüben in der Stadt aufs neue ihr Unwerk auszubreiten suchten; er schien sie gar leibhaftig vor sich zu haben, denn er riß das schwarze Käppchen von seinem grauen Haupt und dräuete damit in die volle Kirche hinunter. Der alte Herr von Grieshuus in seinem Patronatsstuhl droben vor dem Altar nickte eifrig seinem Pastor zu; die Bauern aber saßen mit schläfrigen Gesichtern: was kümmerten sie alle Schwarmgeister? Die Schatzung und das fremde Kriegsvolk saßen ihnen fühlbarer auf dem Nacken. Selbst für den stattlichen Junker an des Vaters Seite schien dieses Kanzelfeuer ganz verloren; seine Augen gingen immer wieder nach einem der Gestühlte unten, bis es wie Nebel ihm zerrann, oder bis aus blauen Augen ein scheuer Blick zu ihm hinüberflog.

Als endlich am Schluß des Gottesdienstes der Pastor vor dem Altar die Kollekte verlesen und die Gemeinde ihr »Amen« respondiert hatte, blieb noch alles in den Kirchenständen, während die Herrschaft in die Kirche hinab und zwischen denselben dem Ausgange zuschritt. Der alte Herr aber ließ diesmal seinen Junker vor sich hergehen und streifte mit einem finstern Blick das blonde Mädchen, das an der Seite seines alten Jägers sich von ihrem Sitz erhoben hatte.

Draußen in seinem Wagen hieß er den Fuhrknecht warten, bis der Pastor aus der Kirche trat; dann winkte er diesen heran und drückte ihm die Hand, und die Leute, welche jetzt, der Abfahrt ihrer Herrschaft harrend, zwischen den Gräbern umherstanden, hörten ihn dabei sagen: »Hol der Teufel alle Rottengeister, Pastor! Aber komm Er auf den Nachmittag zu mir; ein guter Trunk ist etwan auch noch in dem Keller!«

– – Zu Grieshuus warf am Nachmittage die Winter­sonne ihre schrägen Strahlen durch das Fenster über dem Hauptportale, während drinnen im Kamin die großen Scheite loderten. Aber der Hausherr war noch allein; das sonst bleiche Antlitz des alten Junkers war gerötet; mit aufgestützter Faust stand er an dem breiten Eichentisch, von dem es hieß, er sei einst mit dem Hause hier hineingebaut, und die freie Hand fuhr unruhig über das kurzgeschorene Haupthaar. Auf dem Tische neben einem halbgefüllten Glase lag ein grob gedrucktes Blatt; es war die königliche Konstitution von dem Amte und der Potestät der Kirchen wider die Unbußfertigen, welche unlängst auch in dem herzoglichen Teile publiziert war. Der Kirchenbann, der bis zur Sühne von dem Abendmahl und von dem Platz in der Gemeinde ausschloß, war längst zwar eingeführt; aber das neuere Gesetz

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