Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 234)
übel danken, so Du wider ihn gestritten hättest.« Es kam keine Antwort; er hat den Brief wohl nimmer erhalten. Aber ein mündlicher Gruß kam unerwartet durch einen Knecht, der unten in der Stadt gewesen war. Aus einer schwedischen Escadron Dragoner, so dorten auf dem Markte ihm vorbeigeritten, hatte er sich rufen hören: »Marten, Marten! Wie geht's zu Hause?« und auf seine fast erschreckte Antwort: »O, alles gut, Herr!« nur noch: »So grüß! Ich komme bald!« Dann war die Escadron schon weit; aber der Knecht wußte nun, es war der Junker Rolf gewesen; er hatte ihn nur nicht gleich erkannt mit dem gekürzten Haupthaar und dem leichten Barte.
Solches erzählete mir der Vater, in Freuden halb und halb in Kümmerniß; denn itzo war ich fast jeden Nachmittag ein Stündchen auf Grieshuus. – Am vierundzwanzigsten Januarius aber – es wird das Datum nimmer aus meinem Herzen schwinden – stand ich noch spät abends in dem Schlafgemach der Tante Adelheid und schauete in den hellen Hof hinab und nach dem weiten Himmel, von wo der Mond und alle Sterne auf die Erde schienen. Die Tante vermeinete zu sterben, obwohl der Doktor sie noch ein Dutzend Jahre wollte leben lassen, und ich war, nachdem ich schon nach Haus gegangen, aufs neue geholet worden, um ihr das Heilige Abendmahl zu reichen. Die Wachskerzen waren eben ausgethan; sie lag in ihrem Himmelbette und seufzete nach dem Junker, um ihm noch ein ererbet Uhrlein mit Kette in die Hand zu geben. Die alte Matten saß an ihrem Lager, aber das übrige Haus war schon zur Ruhe.
Da ich also in die stille Winternacht hinausschauete und mir beifiel, daß heut und übel Wetter doch nicht allezeit beisammen seien, hörte ich unten von der Thorfahrt her ein Rütteln an dem Eisengitter, das der Herr Oberst erst in dieser Zeit hatte davorsetzen lassen.
»Auf! auf!« rief eine Weiberstimme, und noch einmal und lauter: »Machet auf; ich bin es!«
Wer war das? Aber ich wußte es schon und ging mit raschen Schritten nach der Thür.
Die Tante rief kläglich aus ihrem Bette: »Will Er mich schon verlassen, Pastor?« Aber ich vernahm es kaum; ich eilte über den Hof und holete den Schlüssel aus des Verwalters Schlafkammer, der seit Nachmittage mit dem Vetter jenseit des Waldes auf dem Meierhofe war.
Der Wind fegte durch die Thorfahrt, es war eisig kalt; draußen aber vor dem Gitter stand ein schlankes Mädchen mit wehenden Röcken, ein Tüchlein um den Kopf gebunden.
»Jungfer Abel!« rief ich und schloß das Gitter auf; »wo kommt Sie doch daher so mitten in der bitterkalten Nacht?«
Aber sie war außer Athem, sie antwortete nicht, sondern setzte sich nur auf die Treppe, so nach meiner früheren Kammer führte, und ihre kleinen Hände waren schier verklommen.
»Einen Augenblick nur!« sprach sie dann; »aber eilet! Wecket den Herrn Oberst! Ich folge Euch sogleich – nur eilet! eilet!«
Da that ich, wie sie wollte, und ging eilig in das Haus.
Und als der Herr Oberst kaum aus seiner Schlafkammer in das Wohngemach gelanget war, da öffnete sich auch die Thür vom Flur aus, und das