Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 235)

Mädchen war hereingetreten; die dunklen Augen lagen fast schwarz in ihren Höhlen.

Der Oberst saß am Tisch inmitten des Zimmers; eine Flasche rothen Weines stand noch vom Abend halb gefüllet neben ihm; er saß bleich und matt in seinem Schlafpelz auf dem Sessel, sein altes Übel plagte ihn itzo sehr. »Abel«, sprach er, »warum kommst du mitten in der Nacht? Hast du Unfrieden gehabt mit deinen Leuten?«

Aber sie schüttelte den Kopf. »Der Wildmeister war in der Stadt!« sagte sie hastig; »aber er wollte erst ein Pferd sich suchen. Da bin ich ihm vorausgelaufen; denn die Schweden haben die Pferde all genommen! Lasset die Knechte wecken, Herr Oberst!« rief sie, indem sie ihm zu Füßen stürzte, »nehmet den besten; er muß reiten, über die Heide und durch die Wälder nach dem Fluß hinunter: aber keine Viertelstunde ist zu verlieren!«

»Was soll das?« sagte der Oberst. »Reiten? Und itzo in der Nacht? Du hast die schlimmen Tage wohl vergessen? Die Kerle fürchten den Teufel oder was sonst heute umgehen soll; ja, wenn der Wildmeister wirklich wieder da wäre!« Abel hob ihr bleiches Haupt: »Der kommt zu spät, Herr Oberst! – So gebet mir ein Pferd! Gott wird mir helfen.«

»Das ist nicht Weibersache. Aber weshalb soll denn geritten werden? Das müssen wir doch zuerst wissen!«

Das Mädchen sah verwirrt zu ihm auf: »Ja, ja, Herr Oberst! Aber der Junker Rolf stehet mit einem Posten schwedischer Dragoner drunten an dem Flusse; er soll die Brücke halten, denn die Russen wollen dort hinüber. Sie meinen in der Stadt, das würd' noch Tage ausstehen; aber ich weiß, die Russen kommen noch in dieser Nacht! Lasset den Junker warnen, Herr! Sie könnten sonst alle verhauen werden!«

»Herr Pastor«, sprach der Oberst, nachdem er einen Augenblick todtenbleich, wie suchend, um sich her gesehen, »wollte Er die Knechte wecken?«

Und so ging ich hinaus und schüttelte die Kerle aus ihren schweren Betten. Als ich ihrer drei beisammen hatte, trat ich mit ihnen wieder in das Zimmer und hörete den Oberst zu dem Mädchen sagen, das an seinem Sessel stand: »Hätte ich den Verwalter nur nicht fortgesendet! – Ich selber?« Und er wiegte wie rathlos seinen Kopf. Als er aber die Knechte sahe, welche sich schläfrig an den Thüren aufstellten, rief er: »Nun, Leute, wer von euch will eurem jungen Herrn zuliebe heute nacht noch einen Ritt thun?« Und er berichtete, was zu wissen ihnen noth war. Aber sie antworteten ihm nicht, schielten sich an und stießen sich mit den Ellenbogen.

»Es soll nicht euer Schade sein!« sprach der Oberst wieder und bot ihnen eine Summe Geldes.

Da sagte der größte von den Kerlen: »Herr, wir haben ja die schlimmen Tag'; man lebet noch nur einmal.«

»Wisset ihr«, rief der Oberst, »daß ihr des Junkers Leute seid? Ich kann euch schicken, ohne euch zu fragen!«

Und da sie abermals schwiegen, schlug das Mädchen wie in Zorn und Verachtung die Hände ineinander: »Die würden nicht zum Heile reiten; aber gebet mir das Pferd, wenn sich die Mannsleut fürchten!«

»So nicht, Jungfer Abel!« rief ich; »ich bin kein Reiter; aber so man

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