Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 240)

Wildmeister sollte in die Gruft derer von Grieshuus; so, hieß es, hatte der Oberst es verordnet, weil er sein Leben um den letzten Sohn des Hauses zugesetzet.

Als ich am Vormittage in den Hof kam, fand ich selbigen von Bauern ganz erfüllet, alt und jung, mit ihren Weibern, Kindern und Gesinde; der Oberst, sagte mir einer, habe sie herbestellt. Ich drängte in meinem langen Priesterrocke mich hindurch und trat in das Haus, wo auf dem Flur ein Rauchwerkdüften mir entgegendrang. »Wo ist der Herr Oberst?« frug ich eine Magd.

»In seinem Zimmer, sprach sie; »aber die alte Matten ist bei ihm; er wünschet ungestört zu bleiben.«

So stieg ich die Stufen der breiten Treppe hinauf und öffnete die Thür des großen Saales. Da waren nur die beiden Todten. Hohe Wachskerzen auf silbernen Candelabern brannten an ihren Särgen, so mit einem Zwischenraume nebeneinander standen, und die Flammen knisterten leise, als müsse doch irgend etwas sich hier regen; hinter ihnen hingen lange Leilaken vor den hohen Fenstern. Und da ich stand und mein Auge nicht von den Leichen wenden konnte, deren Angesichter zu mir gewendet waren, vernahm ich ein Rauschen wie von Weiberkleidern an des Junkers Sarge, und eine dunkle Gestalt, die lautlos dort gelegen, richtete sich empor. Es war Abel, und ich ging zu ihr, reichte ihr die Hand und sagte: »Hat Sie ihn denn so sehr geliebet, Jungfer?«

Sie neigte nur das Haupt und sprach: »Es hat ihm nichts genützet.«

Aber mein Herz erzürnte sich wegen ihrer Trauer für den armen Knaben. »Gottes Barmherzigkeit«, sprach ich hart, »wird alles ihm ersetzen.«

Da sahen ihre dunklen Augen fast gottlos in die meinen, als wollten sie mich lehren, daß nur ein Weib, nicht unser Herrgott selber, was er verloren, ihm ersetzen könne. Mir aber erschien in diesem Augenblick das Schweigen der Todten so ungeheuer, daß auch mein Mund verstummte. Ich blickte auf das starre Angesicht des Knaben, und eine Falte zwischen den fest geschlossenen Augen, so der Tod nicht ausgeglättet, deuchte mir zu sagen, daß er noch itzo seinem Schöpfer zürne, der ihn also früh berufen habe.

Da hatte sich die Thür geöffnet, und unser Herr in voller schwedischer Obristenuniform, den Hut mit Federn auf dem Haupt, war eingetreten; aber seine Wangen waren schlaff und seine Augen müde; ihm folgeten die alte Matten und der Vetter mit der Tante Adelheid, welche der Tod des Knaben von ihrem Bette aufgetrieben hatte.

Nachdem der Oberst zwischen die Särge hineingegangen war, kam es auch draußen die Treppenstufen herauf, und die Leute, so auf dem Hofe gestanden hatten, fülleten nun den ganzen Saal, ja standen überdem noch draußen vor den offenen Thüren auf dem Gange.

Der Oberst hob seinen Hut vom Haupte: »Ich habe euch herbestellet«, begann er mühsam; »ich mußte es, denn mein Mund ist der letzte, der hier noch reden kann.

So höret es! Nicht ich und nicht mein Sohn, den mir der Herr genommen – der Greis hier in dem zweiten Sarge« – und er legte seine Hand sanft auf die des Todten – »ist euer Herr gewesen bis an sein Ende. Aber

Seiten