Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 238)

in der Zeit sein, Pastor?« – Ich selber aber – denn so voll selbsüchtigen Gebarens ist unser Herz – ich dachte allendlich doch immer wieder an die Abel, und in meinen Gedanken summete dann allzeit ein Gebet: »Ja, schütze ihn, mein Herr und Gott; aber das Herz des Mädchens, das mein Glück ist und das ihm nicht tauget, das wende du zu mir und gib uns deinen Segen. Amen!«

Das Feuer im Ofen war längst verloschen; itzt prasselte auch das Licht auf und sank dann zusammen. Es wurde fast dunkel in dem Zimmer, obschon da draußen noch der Mond schien; und da ich wußte, wo das Feuerzeug zu finden, so stand ich auf und entzündete das neue Licht, das bei dem Leuchter lag. So war es wieder wie vorher.

Es mag schon nach fünf Uhr gewesen sein, da hob der Oberst seinen Kopf und horchete nach den Fenstern zu; dann plötzlich richtete er sich völlig auf: »Sie kommen!« rief er. »Hört Er es, Magister?«

Wir traten an das Fenster, sahen aber nichts, denn das Thorhaus ließ durch das Gitter von hier aus nur einen kurzen Blick nach draußen. Ich horchte. »Aber ein Wagen ist dabei, Herr Oberst!« sprach ich.

»Nein, nein; Er täuschet sich«.

Ich horchte wieder, und ich vernahm es deutlich. »Gewiß ein Wagen » rief ich. »Aber ein Pferd, vielleicht ein Reiter, ist vorauf!«

Und immer näher kam es. »Ein Wagen! Ja, ich höre ihn«, sprach der Oberst. »Was hat der Wagen zu bedeuten?«

Bald trabte ein Reiter durch die offene Thorfahrt. Auf dem Hofe sprang er ab; aber er brachte selbst sein Pferd zu Stalle. Gleich danach höreten wir wieder draußen seinen Schritt; dann trat er in das Haus und stieg die Treppe zu uns herauf.

»Nur der Verwalter«, sagte der Oberst; »er kommt vom Meierhof. Aber wo ist der Vetter?«

Da war der Mann schon zu uns in das Zimmer getreten, stand am Thürpfosten und sah den Oberst an, als habe er Unheil zu verkünden, das den Mund nicht zu verlassen wage.

Sein Herr war auf ihn zugegangen: »Er ist's, Verwalter? Hat Er mich doch schier erschrecket!«

Aber der Mann schien vergebens an einem Wort zu würgen.

Der Oberst wurde unruhig. »So red Er doch!« rief er; »was hat Er mir zu melden?«

Da sprach der andere: »Wir bringen einen Todten.« Und nach einer Pause: »Wir trafen den Wagen vor dem Walde; der Herr Vetter blieb dabei; ich bin vorausgeritten.«

»Den Wildmeister!« rief der Oberst. »Wo habet ihr ihn gefunden?«

Aber der Verwalter starrte ihn an. »Was meinen Sie mit dem Wildmeister, Herr?«

Der Oberst wurde kreideweiß im Antlitz und griff hinter sich nach einem Tische; dann streckte er den Arm und ließ die Hand schwer auf des Verwalters Schulter fallen. »Sag Er nichts weiter; nur – wie habe ich meinen Sohn verloren?« Aber seine Hand zitterte so gewaltig, daß der starke Mann darunter bebte.

»Herr, wenn Sie es wissen wollen!« sprach er; »überfallen sind sie worden, aber halb im Schlafe doch noch in den Sattel kommen; und ein Kampfgewühl jenseit der Brücken hat sich dann ergeben. Der Junker Rolf auf einem hohen

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