Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 239)

Fuchs war überall voran; aber auch viele Lanzen – denn von solchem Reitervolk sind die Russischen gewesen – haben nach ihm gezielet. Da ist vom Wald herunter ein herrenloses, dunkles Pferd herangekommen, mit weißem Schweif und Mähnen, die haben im Mondenschein geflogen; das ist, als sei es rasend, durch die Niederung und über die Brücke auf die streitenden Milizen losgestürmt; die dunklen Augen haben gefunkelt, es hat den kleinen Kopf nach rechts und links herumgeworfen. ›Das war kein Pferd, wie wir sie haben‹, sagte der schwedische Soldat, der mir das erzählete. Und zwischen dem Junker und einem Offizier, der seine Lanze auf ihn eingeleget, ist es jach hindurchgestoben; aber des Junkers Augen, die er so nöthig brauchte, hat es mitgenommen. ›Falada!‹ hat er laut gerufen, dann –«

»Dann?« stammelte der Oberst.

»Ja, Herr, das ist sein letztes Wort gewesen; denn die Lanzenspitze des Russen hatte ihm das Herz durchstoßen.«

Ich faßte schweigend unseres Herrn Hand; da rollte ein Wagen langsam in den Hof, und wir stiegen hinab und hoben unseren Rolf, den schönen, todten Offizier, herunter; wir trugen ihn hinauf in seine alte Kammer und legten ihn auf die Bettstatt; aber nicht mehr, damit er wie einstmals im Morgenroth von seinem Lager springe.

– – Ich hatte den Todten in seines Vaters Hut gelassen; denn mir lag zu sehr am Herzen, was nun zunächst uns zu besorgen oblag.

Da ich aus dem Hof getreten war, sahe ich ein zehnjährig Bürschlein vom Dorf heraufkommen; das erwartete ich, gab ihm eine kleine Münze und sprach: »Gehe ein Stücklein mit mir, Jürgen, falls ich einen Boten brauchte.«

Das war es zufrieden: und so gingen wir mitsammen an der rechten Seite oben durch den Waldesrand, und ich, wie wir fürder schritten, schauete von dorten allzeit über die Heide hin. »Wen suchet Ihr, Herr Pastor?« frug das Kind.

»Mir ist bang – ich suche einen Todten«, entgegnete ich ihm.

Da wurde das Kind gar stille, und wir gingen weiter; aber es drängte sich an mich, wenn Krähen oder Elstern in den nackten Bäumen rauschten. Als wir oberhalb des Steines vor dem Tümpel kamen, streckte es seine Hand dahin. »Sehet, Pastor, sprach es; »da liegt einer!«

Und als wir durch das Kraut hinabgestiegen waren, da hatte ich gefunden, was ich suchte. Als habe er zu sanfter Ruhe sich gestreckt, lag hier der Wildmeister, mit seinem weißen Kopfe an den Stein gestützet. Der Vorbote der aufgehenden Wintersonne war schon da: ein rother Morgenschimmer lag auf dem stillen Angesicht.

Scheu und fürsichtig war der Knabe näher kommen. »Der schläft nur!« sagte er.

Ich aber sprach: »Gehe hin zum Hofe und erzähle, was du hier gesehen; und bitte, daß sie einen Wagen senden; denn hier ist Gottes Frieden und der Schlaf der Ewigkeit.«

Und so knieete ich zu dem Todten und betete, daß Gott Erbarmen haben möge auch mit der Seele dieses Mannes. Der Knabe aber lief dem Hofe zu.

In der Woche vor dem vierten Sonntage Epiphanias standen die zwei Leichen oben in dem großen Saale aufgebahret, und es war der Tag, an welchem die Beisetzung geschehen sollte, denn auch der

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