Ungekürztes Werk "Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 50)

deine Kinder.

Man hört scharf schießen.

Die wilden Kerls, starr und treu!

Zigeunerin.

ZIGEUNERIN: Rettet Euch! Die Feinde überwältigen.

GÖTZ: Wo ist mein Pferd?

ZIGEUNERIN: Hier bei.

GÖTZ gürtet sich und sitzt auf ohne Harnisch: Zum letztenmal sollen sie meinen Arm fühlen. Ich bin so schwach noch nicht. Ab.

ZIGEUNERIN: Er sprengt zu den Unsrigen.

Flucht.

WOLF: Fort, fort! Alles verloren. Unser Hauptmann erschossen. Götz gefangen.

Geheul der Weiber und Flucht.

Adelheidens Schlafzimmer

Adelheid mit einem Brief.

ADELHEID: Er oder ich! Der Übermütige! Mir drohen! – Wir wollen dir zuvorkommen. Was schleicht durch den Saal? Es klopft. Wer ist draußen?

Franz leise.

FRANZ: Macht mir auf, gnädige Frau.

ADELHEID: Franz! Er verdient wohl, daß ich ihm aufmache.

Läßt ihn ein.

FRANZ fällt ihr um den Hals: Liebe gnädige Frau!

ADELHEID: Unverschämter! Wenn dich jemand gehört hätte.

FRANZ: O es schläft alles, alles!

ADELHEID: Was willst du?

FRANZ: Mich läßt's nicht ruhen. Die Drohungen meines Herrn, Euer Schicksal, mein Herz.

ADELHEID: Er war sehr zornig, als du Abschied nahmst?

FRANZ: Als ich ihn nie gesehen. “Auf ihre Güter soll sie”, sagt' er, “sie soll wollen.”

ADELHEID: Und wir folgen?

FRANZ: Ich weiß nichts, gnädige Frau.

ADELHEID: Betrogener törichter Junge, du siehst nicht, wo das hinaus will. Hier weiß er mich in Sicherheit. Denn lange steht's ihm schon nach meiner Freiheit. Er will mich auf seine Güter. Dort hat er Gewalt, mich zu behandeln, wie sein Haß ihm eingibt.

FRANZ: Er soll nicht!

ADELHEID: Wirst du ihn hindern?

FRANZ: Er soll nicht!

ADELHEID: Ich seh mein ganzes Elend voraus. Von seinem Schloß wird er mich mit Gewalt reißen, wird mich in ein Kloster sperren.

FRANZ: Hölle und Tod!

ADELHEID: Wirst du mich retten?

FRANZ: Eh alles! alles!

ADELHEID de weinend ihn umhalst: Franz, ach, uns zu retten!

FRANZ: Er soll nieder, ich will ihm den Fuß auf den Nacken setzen.

ADELHEID: Keine Wut! Du sollst einen Brief an ihn haben voll Demut, daß ich gehorche. Und dieses Fläschchen gieß ihm unter das Getränk.

FRANZ: Gebt! Ihr sollt frei sein!

ADELHEID: Frei! Wenn du nicht mehr zitternd auf deinen Zehen zu mir schleichen wirst – nicht mehr ich ängstlich zu dir sage: Brich auf, Franz, der Morgen kommt!

Heilbronn

Vorm Turn.

Elisabeth. Lerse.

LERSE: Gott nehm das Elend von Euch, gnädige Frau. Marie ist hier.

ELISABETH: Gott sei Dank! Lerse, wir sind in entsetzliches Elend versunken. Da ist's nun, wie mir alles ahnete! Gefangen, als Meuter, Missetäter in den tiefsten Turn geworfen –

LERSE: Ich weiß alles.

ELISABETH: Nichts, nichts weißt du, der Jammer ist zu groß! Sein Alter, seine Wunden, ein schleichend Fieber, und mehr als alles das: die Finsternis seiner Seele, daß es so mit ihm enden soll.

LERSE: Auch, und daß der Weislingen Kommissar ist.

ELISABETH: Weislingen?

LERSE: Man hat mit unerhörten Exekutionen verfahren. Metzler ist lebendig verbrannt, zu Hunderten gerädert, gespießt, geköpft, geviertelt. Das Land umher gleicht einer Metzge, wo Menschenfleisch wohlfeil ist.

ELISABETH: Weislingen Kommissar! O Gott! Ein Strahl von Hoffnung. Marie soll mir zu ihm, er kann ihr nichts abschlagen. Er hatte immer ein weiches Herz, und wenn er sie sehen wird, die er so liebte, die so elend durch ihn ist – Wo ist sie?

LERSE: Noch im Wirtshaus.

ELISABETH: Führe mich zu ihr. Sie muß gleich fort. Ich fürchte alles.

Weislingens

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