Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 103)

wie er sich von seiner Compagnia loswürken und anderwärts sein Glück suchen könnte; als sie aber die Sach bei dem Liecht besahen, da manglets am Geld, mit welchem er sich bei seinem Kapitän loskaufen sollte, und indem sie betrachteten und bejammerten, in was vor einem Elend sie die Armut gefangen hielte, und alle Hoffnung abschnitte, ihren gegenwärtigen Stand zu verbessern, erinnerte ich mich erst meiner Dukaten, die ich noch in meinen Eselsohren vernähet hatte; fragte derowegen, wieviel sie dann Gelds zu dieser ihrer Notdurft haben müßten? Der junge Herzbruder antwortet: »Wenn einer käme und uns hundert Taler brächte, so getraute ich aus allen meinen Nöten zu kommen.« Ich antwortet: »Bruder, wann dir damit geholfen wird, so hab ein gut Herz, dann ich will dir hundert Dukaten geben.« »Ach Bruder«, antwortet er mir hinwiederum, »was ist das? bist du dann ein rechter Narr? oder so leichtfertig, daß du uns in unserer äußersten Trübseligkeit noch scherzest?« »Nein, nein«, sagte ich, »ich will dir das Geld herschießen«; streifte darauf mein Wams ab, und tät das eine Eselsohr von meinem Arm, öffnete es, und ließ ihn selbst hundert Dukaten daraus zählen und zu sich nemmen; das übrige behielt ich und sagte: »Hiermit will ich deinem kranken Vatter auswarten, wann er dessen bedarf.« Hierauf fielen sie mir um den Hals, küßten mich, und wußten vor Freuden nicht was sie taten, wollten mir auch eine Handschrift zustellen und mich darinnen versichern, daß ich an dem alten Herzbruder neben seinem Sohn ein Miterb sein sollte; oder daß sie mich, wann ihnen Gott wieder zu dem Ihrigen hülfe, um die Summam samt dem Interesse wiederum mit großem Dank befriedigen wollten: Deren ich aber keines annahm, sondern allein mich in ihre beständige Freundschaft befohle. Hierauf wollte der junge Herzbruder verschwören, sich an dem Olivier zu rächen, oder darum zu sterben! Aber sein Vatter verbotte ihm solches, und versichert ihn, daß derjenige, der den Olivier totschlüg, wieder von mir, dem Simplicio, den Rest kriegen werde. »Doch«, sagte er, »bin ich dessen wohl vergewissert, daß ihr beide einander nicht umbringen werdet, weil keiner von euch durch Waffen umkommen solle.« Demnach hielte er uns an, daß wir eidlich zusammen schwuren, einander bis in den Tod zu lieben, und in allen Nöten beizustehen. Der junge Herzbruder aber entledigte sich mit dreißig Reichstalern, davor ihm sein Kapitän einen ehrlichen Abschied gab, verfügte sich mit dem übrigen Geld und guter Gelegenheit nach Hamburg, mondierte sich allda mit zweien Pferden, und ließe sich unter der Schwedischen Armee vor einen Freireuter gebrauchen, mir indessen unsern Vatter befehlende.

Das 24. Kapitel

Zwo Wahrsagungen werden auf einmal erfüllt.

Keiner von meines Obristen Leuten schickte sich besser, dem alten Herzbruder in seiner Krankheit abzuwarten, als ich, und weil der Kranke auch mehr als wohl mit mir zufrieden war, so wurde mir auch solches Amt von der Obristin aufgetragen, welche ihm viel Guts erwiese, und demnach er neben so guter Pfleg auch wegen seines Sohns sattsam erquickt worden, besserte es sich von Tag zu Tag mit ihm, also daß er noch

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