Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 104)

vor dem 26. Julii fast wieder überall zu völliger Gesundheit gelangte; doch wollt er sich noch inhalten und krank stellen, bis bemeldter Tag, vor welchem er sich merklich entsetzte, vorbei wäre: Indessen besuchten ihn allerhand Offizier von beiden Armeen, die ihr künftig Glück und Unglück von ihm wissen wollten, dann weil er ein guter Mathematikus und Nativitätensteller, benebens auch ein vortrefflicher Physiognomist und Chiromantikus war, fehlte ihm seine Aussag selten; ja er nennete sogar den Tag, an welchem die Schlacht vor Wittstock nachgehends geschahe, sintemal ihm viel zukamen, denen um dieselbige Zeit einen gewalttätigen Tod zu leiden angedrohet war; die Obristin versichert er, daß sie ihr Kindbett noch im Läger aushalten würde, weil vor Ausgang der sechs Wochen Magdeburg an die Unserige nicht übergehen würde: Dem falschen Olivier, der sich gar zutäppisch bei ihm zu machen wußte, sagte er ausdrücklich, daß er eines gewalttätigen Tods sterben müßte, und daß ich seinen Tod, er geschehe, wann er wolle, rächen, und seinen Mörder wieder umbringen würde, weswegen mich Olivier folgenderzeit hochhielte; mir selbsten aber erzählet er meinen künftigen ganzen Lebenslauf so umständlich, als wenn er schon vollendet, und er allezeit bei mir gewesen wäre, welches ich aber wenig achtet, und mich jedoch nachgehends vielen Dings erinnert, das er mir zuvor gesagt, nachdem es schon geschehen oder wahr worden; vornehmlich aber warnet er mich vorm Wasser, weil er besorgte, ich würde meinen Untergang darin leiden.

Als nun der 26. Julii eingetretten war, vermahnet er mich und einen Furierschützen (den mir der Obriste auf sein Begehren denselben Tag zugegeben hatte) ganz treulich, wir sollten niemand zu ihm ins Zelt lassen: Er lag also allein darinnen, und betet ohn Unterlaß; da es aber um den Nachmittag wurde, kam ein Leutenant aus dem Reuterläger dahergeritten, welcher nach des Obristen Stallmeister fragte. Er wurde zu uns, und gleich darauf wieder von uns abgewiesen, er wollte sich aber nicht abweisen lassen, sondern bate den Furierschützen mit untergemischten Verheißungen, ihn vor den Stallmeister zu lassen, als mit welchem er noch diesen Abend notwendig reden müßte; weil aber solches auch nicht helfen wollte, fieng er an zu fluchen, mit Donner und Hagel dreinzukollern, und zu sagen, er seie schon so vielmal dem Stallmeister zu Gefallen geritten und hätte ihn noch niemals daheim angetroffen, so er nun jetzt einmal vorhanden seie, sollte er abermal die Ehr nicht haben, nur ein einig Wort mit ihm zu reden; stiege darauf ab und ließe sich nicht verwehren, das Zelt selbst aufzuknüpfen, worüber ich ihn in die Hand bisse, aber ein dichte Maulschelle davor bekam. Sobald er meinen Alten sahe, sagte er: »Der Herr sei gebetten, mir zu verzeihen, daß ich die Frechheit brauche, ein Wort mit ihm zu reden.« »Wohl«, antwort der Stallmeister, »was beliebt dann dem Herrn?« »Nichts anders«, sagte der Leutenant, »als daß ich den Herrn bitten wollte, ob er sich ließe belieben, mir meine Nativität zu stellen?« Der Stallmeister antwortet: »Ich will verhoffen, mein hochgeehrter Herr werde mir vergeben, daß ich demselben vor diesmal meiner Krankheit halber nicht willfahren kann, dann weil

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